Drittes Geheimnis von Fatima: Aufruf zur Buße, nicht Zukunftsschau

Vatikan veröffentlicht vollständigen Text der Offenbarungen an die Seherkinder von Fatima und warnt vor Fehlinterpretationen - Ratzinger: Fatalistische Deutungen des "dritten Geheimnisses" gehen "völlig an der Sache vorbei"

Vatikanstadt, 26.6.00 (KAP) Der Vatikan hat am Montag das "dritte Geheimnis" von Fatima veröffentlicht und gleichzeitig vor Fehlinterpretationen der Privatoffenbarung aus dem Jahr 1917 gewarnt. Das "dritte Geheimnis" berichte in einer Symbolsprache über die Verfolgung der Kirche im 20. Jahrhundert und verweise auf ein Attentat auf einen Papst. Der Präfekt der Glaubenskongregation, Kardinal Joseph Ratzinger, betont in einem Kommentar, das Schlüsselwort des "dritten Geheimnisses" sei der dreimalige Aufruf zur Buße und nicht die Vorhersage eines unabänderlich ablaufenden zukünftigen Geschehens. Ziel der Botschaft sei die Umkehr zum Glauben und die Hinführung zum Gebet als Weg zur "Rettung der Seelen".

Wörtlich schreibt Ratzinger: "Das Bild, das die Kinder sahen, ist kein im Voraus aufgenommener Film des Künftigen, an dem nichts mehr geändert werden könnte". Der Sinn der Vision sei, die "Kräfte der Veränderung zum Guten hin zu mobilisieren". Deswegen gingen "fatalistische Deutungen" des Geheimnisses völlig an der Sache vorbei, wenn zum Beispiel gesagt werde, der Attentäter vom 13. Mai 1981 sei "nun einmal ein von der Vorsehung gelenktes Werkzeug göttlichen Planens gewesen und habe daher gar nicht frei handeln können, oder was sonst an ähnlichen Ideen umläuft".

Der Wortlaut des dreiteiligen "Geheimnisses" wurde zusammen mit dem Kommentar von Kardinal Ratzinger, einigen Dokumenten von Schwester Lucia und einer historischen Einführung von Erzbischof Tarcisio Bertone in einer 43-seitgen Publikation der vatikanischen Glaubenskongregation mit dem Titel "Die Botschaft von Fatima" veröffentlicht.

"Wir sahen ... einen in Weiß gekleideten Bischof. Wir hatten die Ahnung, dass es der Heilige Vater war", heißt es im "dritten Geheimnis". Er sei durch eine große halbzerstörte Stadt gegangen, "und halb zitternd mit wankendem Schritt, von Schmerz und Sorge gedrückt, betete er für die Seelen der Getöteten, denen er auf seinem Weg begegnete. Auf dem Berg angekommen, kniete er zu Füßen des großen Kreuzes nieder. Da wurde er von einer Gruppen von Soldaten getötet, die mit Feuerwaffen und Pfeilen auf ihn schossen. Genauso starben nach und nach die Bischöfe, Priester, Ordensleute und verschiedene Laien, Männer und Frauen", lautet der Wortlaut der Aufzeichnung von Schwester Lucia vom 3. Jänner 1944 über ihre Vision vom 13. Juli 1917.

Es handle sich bei diesem Text um eine symbolische Sprache, die nicht im fotografischen Sinn die Einzelheiten künftiger Ereignisse beschreibe, so Ratzinger dazu. Er fasse vielmehr auf einem gemeinsamen Hintergrund Tatsachen verdichtend zusammen, die sich zeitlich in einer nicht präzisierten Abfolge und Dauer erstreckten. Die Vision von Fatima beschreibe den Weg der Kirche in einer Zeit der Gewalt, der Zerstörung und Verfolgung, erläutert Ratzinger. Es zeige das 20. Jahrhundert als Jahrhundert der Märtyrer, der Leiden und der Kirchenverfolgung, als Jahrhundert der Weltkriege und vieler lokaler Krieg. Dabei spiele die Figur des Papstes eine besondere Rolle, wobei alle Päpste des Jahrhunderts ab Pius X. (1903-14) "die Leiden des Jahrhunderts mittrugen". In diesem Sinne habe auch Johannes Paul II., als er sich nach dem Attentat vom 13. Mai 1981 den Text des "dritten Geheimnisses" vorlegen lies, sein eigenes Schicksal erkennen können. Dass der Papst gerettet wurde, "zeigt nur noch einmal, dass es kein unabänderliches Schicksal gibt, dass Glaube und Gebet Mächte sind, die in die Geschichte eingreifen können".

Die Geschehnisse, auf die sich das "dritte Geheimnis" beziehe, gehörten heute der Vergangenheit an, schreibt der Kurienkardinal weiter: "Wer auf aufregende apokalyptische Enthüllungen über das Weltende oder den weiteren Verlauf der Geschichte gewartet hatte, muss enttäuscht sein". Es würden "keine großen Geheimnisse enthüllt; der Vorhang der Zukunft wird nicht aufgerissen. Wir sehen im Zeitraffer die Kirche der Märtyrer des nun abgelaufenen Jahrhundert in einer schwer deutbaren Symbolsprache zusammengefasst".

Deutlich arbeitet Ratzinger in seinem Kommentar den Unterschied zwischen "öffentlicher Offenbarung" - der verbindlichen und abgeschlossenen Offenbarung Gottes in der Bibel - und Privatoffenbarung heraus. Die Privatoffenbarung verstehe sich als Hilfe zum Glauben. Sie erweise sich als glaubwürdig, wenn sie auf die eine öffentliche Offenbarung Gottes verweise. Auf keinen Fall dürfe sie sich verselbständigen. Der Christ sei nicht verpflichtet, diesen Privatoffenbarungen zuzustimmen. Sie verständen sich als "Hilfe, die angeboten wird, aber von der man nicht Gebrauch manchen muss".

Kathpress

av Webmaster publisert 26.06.2000, sist endret 26.06.2000 - 15:26