Kardinal Martini: Kritik an "Dominus Iesus" ist überzogen

Utl: "Viel Lärm um nichts" - Bamberger Erzbischof Braun: Ökumene ist unumkehrbar - Erfurter Bischof Wanke warnt vor Überbetonung lehramtlicher Differenzen =

Paris-Bonn-Rom, 5.10.00 (KAP) Der Mailänder Erzbischof, Kardinal Carlo Maria Martini, hat die Diskussion um die Vatikan-Erklärung "Dominus Iesus" als überzogen bezeichnet. "Ich glaube, es wird viel Lärm um nichts gemacht", sagte Martini in einem am Donnerstag veröffentlichten Interview der französischen katholischen Tageszeitung "La Croix". Das Vatikan-Dokument müsse in Verbindung mit anderen Texten gelesen werden und habe "seinen Sinn nur in der ausgewogenen Gesamtheit der kirchlichen Stellungnahmen seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil". Martini sagte, der "Weg zur Einheit" sei in jedem Fall unumkehrbar.

Auch der Bamberger Erzbischof Karl Braun erklärte, das Schreiben "Dominus Iesus" bedeute keinesfalls ein Ende der Ökumene. Die katholische Kirche habe sich "unwiderruflich auf den Weg der Ökumene" begeben, betont Braun in einer in Bamberg veröffentlichten Stellungnahme. Es gebe in dieser Sache kein Zurück, "denn die Einheit aller Christen ist der Wille des Herrn". Die Erklärung der römischen Glaubenskongregation benenne jene Punkte, die für Katholiken unaufgebbar seien. Die anderen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften sollten nun ebenfalls das nennen, was nach ihrem Verständnis für Kirchesein unverzichtbar ist.

Braun betonte, die Katholiken der Erzdiözese Bamberg lebten in einer Region, in der die "praktische Ökumene" mit den evangelisch-lutherischen Christen in vielen Orten zu einer Selbstverständlichkeit geworden sei. Nach Meinung des Erzbischofs ist jedoch eine Ökumene, die bestimmte Reizthemen nicht mehr benenne, auch wenn sie wie Maria oder das Petrusamt biblisch begründet seien, "nicht mehr dialogisch, sondern sprachlos geworden". Der eigene Glauben müsse im Respekt vor dem Glauben der anderen offen bekannt werden. Die vatikanische Erklärung könne daher ein Impuls sein, der Christen anrege, "mit neuem Engagement den ökumenischen Dialog weiterzuführen".

zwt: Lehramtliche Differenzen nicht überbetonen

Der Erfurter Bischof Joachim Wanke warnte im Blick auf die Debatten um "Dominus Iesus" die Kirchen vor einer Überbetonung ihrer lehramtlichen Unterschiede. Die Sorge um die Verbreitung des Glaubens unter Nichtchristen sei "weitaus wichtiger", sagte Wanke in Erfurt. Angesichts der Minderheitensituation, in der sich die Kirchen in manchen Teilen Deutschlands bereits befinden, "wäre es verheerend, wenn wir jetzt als Katholiken und Protestanten uns gegenseitig unser jeweiliges Selbstverständnis um die Ohren hauen".

Bischof Wanke, der Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland ist, rief dazu auf, in der Ökumene "Herz und Verstand zusammen sprechen zu lassen". Dies sei "der Spagat einer echten Ökumene". Jeder Christ solle "die eigene Kirche lieben, aber die anderen Mitchristen nicht verketzern, mehr noch: sie mit Sympathie im Blick behalten". Katholiken tue es gut, wenn sie "bei ihren evangelischen Glaubensgeschwistern viele Dinge entdecken, die Gottes Heiliger Geist bewirkt".

Der Bischof wies zugleich auf die noch bestehenden Unterschiede zwischen den Kirchen hin. Daran müsse geduldig gearbeitet werden, "mit dem Respekt vor der jeweils anderen Tradition und mit dem festen Willen, diese wieder auf Dauer zusammenzuführen". Dafür sei "ein solides, belastbares Wohlwollen füreinander" erforderlich.

Zwt: Fuß: "Chance einer Vermittlung verschenkt"

Kritik an "Dominus Iesus" übte der Religionswissensschaftler an der Päpstlichen Universität Gregoriana, Michael Fuß. Der Text enthalte weithin theologische Selbstverständlichkeiten, doch sei durch eine "selbstbewusste, unvermittelte Sprache" wohl die Chance einer dialogischen Vermittlung zwischen den Religionen verschenkt.

Wesentliche Gesichtspunkte des Missionsdekrets des Zweiten Vatikanischen Konzils würden verengt dargestellt, so der Theologe, der Mitglied des Päpstlichen Rats für den interreligiösen Dialog ist. "Bei aller Betonung der Universalität Jesu Christi verbleibt die Erklärung doch in einer Binnenperspektive und vermag nicht, die jeweiligen - berechtigten - Absolutheitsansprüche der Religionen miteinander zu versöhnen", betont Fuß. (Schluss)

K200006184

av Webmaster publisert 05.10.2000, sist endret 05.10.2000 - 15:04