Husar: Ukrainer sind nicht papstfeindlich

Lemberger "unierter" Großerzbischof in "Furche"-Interview zum bevorstehenden Papstbesuch: "Ich glaube, die Situation ist nicht so aufgeheizt wie man sie darstellt"

Wien-Kiew, 31.5.01 (KAP) Die nichtkatholische Bevölkerung in der Ukraine ist nach Ansicht des Lemberger griechisch-katholischen ("unierten") Großerzbischofs, Kardinal Lubomyr Husar, dem bevorstehenden Papstbesuch gegenüber viel positiver eingestellt als dies orthodoxe Kirchenführung, orthodoxer Klerus und westliche Medien glauben zu machen versuchten. "Ich glaube, die Situation ist nicht so aufgeheizt, wie man sie macht. Die Stellung der russisch-orthodoxen Hierarchie ist klar. Sie ist gegen die Reise des Papstes. Aber ich habe Zweifel, ob auch das Volk dagegen ist. Die Umfragen, von denen man nicht weiß, wie viel sie wert sind, zeigen, dass die Leute zumindest neugierig sind, den Papst zu sehen. Ich glaube, die Situation ist nicht ganz so eindeutig, wie sie im Westen geschildert wird", so Husar in einem Interview für die neueste Ausgabe der Wochenzeitung "Die Furche".

Husar erinnerte daran, dass - nach allerdings unbestätigten Berichten - nur etwa die Hälfte der 50 Millionen Ukrainer einer Kirche angehörten. Johannes Paul II. habe aber auch die restlichen 25 Millionen im Blick: "Der Papst kann sehr gut, sehr menschlich mit den Leuten sprechen. Wir haben die Hoffnung, dass er viele Bewohner der Ukraine religiös und menschlich anspricht und vielleicht für sie eine neue Hoffnung bringt, sie zumindest auf Gott aufmerksam macht und darauf, was im Leben wirklich zählt".

Was die Gläubigen der autonomen (mit dem Moskauer Patriarchat verbundenen) ukrainisch-orthodoxen Kirche betreffe, so könne man "nicht sicher" sein, "wie treu das Volk seinen Bischöfen ist", meinte der Kardinal. Auch das Verhältnis Katholiken-Orthodoxe sei besser als behauptet. Doch müssten Bischöfe und Priester "aufhören, die Leute aufzuhetzen. Wenn das aufhört, glaube ich, sind die Gläubigen nicht wirklich feindlich gegeneinander eingestellt".

Tatsache sei, dass die russisch-orthodoxe Kirche "beleidigt" sei, weil sie in den Jahren von 1989 bis 1991 mehr als 1.000 Gemeinden verloren habe. Husar: "Die orthodoxe Kirche sagt immer, dass ihr mehr als 1.000 Pfarren gewaltsam weggenommen worden seien. Obwohl viele Leute an Sonn- und Feiertagen auch in die orthodoxen Kirchen gegangen sind, waren sie doch im Herzen katholisch geblieben. Als sich die erste Möglichkeit eröffnete, haben sie sich wieder öffentlich zu ihrer eigenen Kirche bekannt".

In einigen Gemeinden sei es tatsächlich zu Zusammenstößen gekommen. Man habe um das Kirchengebäude gestritten oder man habe den Priester wirklich verdrängt. "Aber das geschah in einem sehr, sehr kleinen Teil der Fälle, und es ist schon vor zehn Jahren geschehen. Die Wunde ist allerdings geblieben", so der Kardinal.

Den Vorschlag aus den schismatischen orthodoxen Kirchen in der Ukraine, ein Kiewer Patriarchat zu schaffen, das von Rom und von Konstantinopel gleichzeitig anerkannt wird, ist für Husar zwar nicht völlig unmöglich, aber mit großen Problemen verbunden: "Ich glaube, man kann von vielen anerkannt sein, aber man kann nicht vielen gegenüber loyal sein. Vom Patriarchat von Konstantinopel ist zwar unsere Tradition gekommen. Aber wir sind natürlich katholisch. Wir erkennen den Papst als das Zentrum, als den Nachfolger des Heiligen Apostels Petrus an. Eine Vereinigung würden wir natürlich sehr begrüßen. Wir würden uns als Katholiken nicht aufdrängen, denn die Orthodoxen sind zahlreicher als wir. Unsere einzige Bedingung ist, dass das vereinigte Patriarchat in der Ukraine mit dem Apostolischen Stuhl in Rom in Gemeinschaft, in Kommunion, ist".

Wojtyla bereits dritter Papst in Ukraine

Johannes Paul II. sei bereits der dritte Papst, der sich auf heute ukrainisches Territorium begebe, erinnerte Husar gegenüber der Washingtoner katholischen Nachrichtenagentur "Catholic News Service" (CNS). Zwei Päpste - Clemens (92-99) und Martin (649-655) - seien auf die Halbinsel Krim in Verbannung geschickt worden. Die Halbinsel - sie gehört heute zur Ukraine - "war damals das Sibirien des Römischen Reiches", so Husar. Papst Clemens soll in Krim christliche Gemeinden gegründet haben und unter Kaiser Trajan den Märtyrertod erlitten haben. Papst Martin wurde vom oströmischen Kaiser Konstans II. des Verrats im Zusammenhang mit dem Verlust von Sizilien verurteilt. Er starb am 16. September 655 im "ukrainischen" Exil.

Tschernomyrdin: Papstreise "nicht korrekt"

Als "nicht ganz korrekt" wertete der neue russische Botschafter in der Ukraine, Viktor Tschernomyrdin, die geplante Papstreise in die Ukraine. Zwar sei dieser Besuch Angelegenheit der ukrainischen Behörden, aber insgesamt sei der Vorgang nicht so ganz gut, sagte Tschernomyrdin am Mittwoch bei seinem Amtsantritt in Kiew. "Schließlich ist man orthodox", fügte der Diplomat hinzu.

Der ukrainische Staatspräsident Leonid Kutschma unterstrich, "die ganze Ukraine" brauche den Papstbesuch. "Nicht nur der Präsident, das Parlament oder die Regierung, nein, das ganze Land hat den Papst nötig", so Kutschma. Auch gab er sich überzeugt, dass die ukrainischen Behörden die Reise Johannes Pauls II. gut organisieren würden.

Es ist das erste Mal, dass Johannes Paul II. in ein Land mit orthodoxer Bevölkerungsmehrheit gegen den Willen der zuständigen orthodoxen Hierarchie reist.

Kathpress
31. mai 2001

av Webmaster publisert 04.06.2001, sist endret 04.06.2001 - 14:17