Lemberg: Papst spricht Märtyrer der Kirchenverfolgung selig

Eine Million Menschen beim Gottesdienst in byzantinischer Liturgie - Neue Selige stehen für "Vielzahl anonymer Glaubenshelden" des 20. Jahrhunderts - Johannes Paul II. erinnert erneut an "Ökumene der Märtyrer und Glaubenszeugen", die den Weg zur Einheit der Christen anzeigt

Lemberg, 27.6.01 (KAP) Vor einer Million Menschen hat Papst Johannes Paul II. am Mittwoch in der westukrainischen Stadt Lemberg 27 griechisch-katholische Märtyrer der stalinistischen und nationalsozialistischen Verfolgung und eine Ordensgründerin selig gesprochen. Bei einem Gottesdienst im byzantinischen Ritus würdigte der Papst die Bischöfe, Priester, Ordensleute und Laien, die in der Zeit zwischen 1935 und 1973 für ihre Glaubenstreue den Tod erlitten hatten. Die neuen Seligen und all die bekannten Opfer stünden für eine "Vielzahl anonymer Helden, die im 20. Jahrhundert, dem 'Jahrhundert der Märtyrer', Verfolgung, Gewalt und Tod auf sich nahmen, um nicht auf ihren Glauben verzichten zu müssen", sagte der Papst.

Die Ukraine sei von "Bergen von Leichen und Strömen von Blut bedeckt" gewesen, sagte der Papst in seiner Predigt. Viele neuen Seligen waren auf barbarische Weise zu Tode gefoltert worden. Aber nicht nur Katholiken sondern auch Christen anderer Konfessionen hätten das Martyrium erlitten, hob der Papst hervor. Es gebe eine "Ökumene der Märtyrer und Glaubenszeugen, die den Weg zur Einheit der Christen anzeigt". Johannes Paul II. verband dieses Bekenntnis mit einem eindringlichen Appell zur Überwindung der vielen "Stereotypen, der gegenseitigen Ressentiments und der großen Intoleranz". Als einziger Ausweg bleibe, mit der Vergangenheit abzuschließen und gegenseitig Vergebung für erlittene und zugefügte Verletzungen zu erbitten und anzubieten.

Er selbst sei in seiner Jugend Zeuge dieser "Apokalypse" gewesen, erinnerte der Papst in seiner Ansprache. Sein Priestertum und der Weg dorthin habe ihn verbunden "mit dem großen Opfer vieler Männer und Frauen meiner Generation. Ihr Gedächtnis darf nicht verloren gehen, weil es ein Segen ist. Ihnen gilt unsere Bewunderung und unsere Dankbarkeit". Die Erinnerung an sie sei ein "Zeichen der Hoffnung für unsere Zeit und die Zukunft".

Erzpriester des Moskauer Patriarchats anwesend

An dem Papstgottesdienst im byzantinischen Ritus nahm auch ein Erzpriester des orthodoxen Moskauer Patriarchats teil. Das bestätigte Vatikansprecher Joaquin Navarro-Valls am Mittwoch früh in Lemberg gegenüber Journalisten.

Die rund eine Million Pilger, die zu dem Papstgottesdienst auf dem Gelände einer aufgelassenen Pferderennbahn am Stadtrand von Lemberg gekommen waren, bereiteten Johannes Paul II. einen enthusiastischen Empfang, als er mit dem "Papamobil" durch die Reihen fuhr. An dem Gottesdienst nahm auch der ukrainische Staatspräsident Leonid Kutschma teil.

Die Seligsprechungsfeier ist der letzte offizielle Programmpunkt der Papstreise in die Ukraine. Wie in den Tagen zuvor wird Johannes Paul II. das gemeinsame Mittagessen mit den ukrainischen Bischöfen zum Erfahrungsaustausch nützen. Für 16.30 Uhr ist die Abfahrt zum Flughafen geplant. Um 18 Uhr, nach der offiziellen Abschiedszeremonie und einer letzten Ansprache, soll der Papst seine Rückreise nach Rom antreten.

Ukrainisch-katholische Kirche bittet um Vergebung

In einer Aufsehen erregenden Geste hat sich der ukrainisch-katholische Großerzbischof von Lemberg, Kardinal Lubomyr Husar, zu Beginn des Gottesdienstes im Namen seiner Kirche für Fehler der Vergangenheit entschuldigt. Vielleicht erscheine die festliche Seligsprechungsfeier nicht als der angemessene Platz, um an die dunklen Momente der Geschichte zu erinnern, sagte Husar zum Auftakt der Liturgie. Leider hätten "manche Söhne und Töchter der griechisch-katholischen ukrainischen Kirchen bewusst und absichtlich ihren Nächsten Böses angetan, Landsleuten und Ausländern".

Für diese alle wolle er in Anwesenheit des Papstes und im Namen seiner Kirche Gott und die Betroffenen um Vergebung bitten. "Damit nicht die schreckliche Vergangenheit auf uns lastet und unser Leben vergiftet, vergeben auch wir unsererseits von ganzen Herzen denjenigen, die uns in irgendeiner Weise Böses angetan haben", so der Kardinal.

Opfer der Zwangsvereinigung mit Moskau

26 der neuen Seligen sind Opfer der stalinistischen Kirchenunterdrückung. Insgesamt neun der neuen Seligen sind Bischöfe, unter ihnen Teodor Romza. 1947 kam er "unter ungeklärten Umständen" bei einem Verkehrsunfall ums Leben. Danach wurden die "unierten" Katholiken der (von 1918 bis 1939 tschechoslowakischen) Karpato-Ukraine vom stalinistischen Regime gewaltsam in das orthodoxe Moskauer Patriarchat "eingegliedert".

Die zwangsweise Eingliederung der "unierten" Kirche in die russisch-orthodoxe Kirche war im bis 1939 polnischen Gebiet der Westukraine bereits 1946 durchgeführt worden. Unter den Hunderten Opfern der ukrainisch-katholischen Kirche waren acht Bischöfe, deren Martyrium Rom jetzt offiziell bestätigt hat. Einer von ihnen war Mykola Tscharnetskyj, der nach seiner Verhaftung 1945 furchtbare Folterungen in den NKWD-Kellern erlitt und nach Sibirien deportiert wurde, aber überlebte. Tscharnetskyj starb 1959 in Lemberg.

Opfer des Nationalsozialismus war Omeljan Kowtsch, der 1944 im KZ Majdanek starb, nachdem er lange seine Mitgefangenen seelsorglich betreut hatte. Er war ins KZ eingeliefert worden, weil er sich für verfolgte Juden eingesetzt hatte. Einzige Nicht-Märtyrerin unter denen neuen Seligen ist die Ordensgründerin Josaphata Hordaschewska (1869-1919).

Studium in Wien und Innsbruck

Mehrere dieser neuen Seligen hatten ihre theologische Ausbildung in Innsbruck und/oder Wien absolviert, was in der Zeit der Monarchie Tradition hatte und sich bis heute herauf fortsetzte: Mykyta Budka, der als Bischof und Generalvikar in Lemberg 1945 von den Sowjets verhaftet und verurteilt wurde und 1949 im Gefängnis starb; Clement Scheptytskyj, jüngerer Bruder von Metropolit Andrej Scheptytskyj, der während des Zweiten Weltkriegs verfolgten Juden half, 1947 vom NKWD in ein Arbeitslager gesteckt wurde und 1951 starb; der Lemberger Theologieprofessor Andrej Ischchak, 1941 von sowjetischen Soldaten ermordert; der Basilianer-Mönch Jakym Senkiwskyj, der 1941 von den Kommunisten verhaftet und im Gefängnis von Drohobytsch getötet wurde, indem man ihn in einen Kessel kochenden Wassers warf; Bischof Gregoryj Komyschyn von Iwano-Frankiwsk, gestorben 1947 in einem NKWD-Gefängnis in Kiew; Gregoryj Lakota, Weihbischof im heute polnischen Przemysl, als Gefangener und Märtyrer 1950 im russischen Workuta ums Leben gekommen.

Kathpress
27. juni 2001

av Webmaster publisert 27.06.2001, sist endret 27.06.2001 - 15:05