Zulehner: Die «Freiheit des Sterbens» ist keine

Wiener Pastoraltheologe warnt bei «Reichersberger Pfingstgesprächen» vor naiven Formulierungen der Euthanasie-Befürworter - Religionsphilosophin Gerl-Falkovitz: «Projekt Weltethos» birgt Gefahr «nivellierender Allgemeinheiten»

Linz, 21.5.02 (KAP) Den naiven Formulierungen der Euthanasie-Befürworter von der «Freiheit des Sterbens» hat der Wiener Pastoraltheologe Prof. Paul Zulehner bei den «Reichersberger Pfingstgesprächen» eine Absage erteilt. Die traditionelle Veranstaltung der ÖVP-Oberösterreich im Augustiner-Chorherrenstift Reichersberg, die diesmal dem Thema gewidmet war: «Was hält unsere Welt zusammen? Geht der Ethik in unserer modernen Zeit die Luft aus?» Der Theologe nannte die Angst vor unerträglichen Schmerzen, die Sorge, den Angehörigen zur Last zu fallen, das Bewusstsein der hohen Kosten des Sterbens in einer Zeit der Apparatemedizin und das «Tal einer tiefen Depression», das Sterbende zwangsläufig durchlaufen, als Faktoren, die die viel zitierte Autonomie beim Sterben in Frage stellen.

Zulehner wies in Reichersberg auf die Gefahr hin, dass die Gesellschaft nicht den Sterbenden dient, «sondern die Sterbenden der Gesellschaft - und das im Namen der beschworenen Freiheit». Euthanasie sei der falsche Weg, so der Pastoraltheologe. Denn: «Freiheit meint, frei das Lebensschiff in den Hafen zu bringen. Versenken ist kein Ausdruck von Freiheit».

Palliative, schmerzlindernde Medizin als Weg, ein Sterben in Würde zu fördern, müsse gesellschaftlich ebenso forciert werden wie die Ermöglichung der Pflege sterbender Angehöriger ohne Angst vor einem Arbeitsplatzverlust. Ebenso sei der Ausbau der Hospizbewegung notwendig.

Skepsis zu «Projekt Weltethos»

Die Gefahr «nivellierender Allgemeinheiten» sieht Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz, Professorin für Religionsphilosophie und vergleichende Religionswissenschaften am Institut für Philosophie der TU Dresden, beim «Projekt Weltethos», das der Schweizer Theologe Hans Küng in den vergangenen Jahren propagiert hat. Es sei zwar richtig, dass in einer Welt als «global village» der Bedarf an einer weltweit verbindlichen Ethik wachse, insbesondere auf dem heiklen Feld der Biowissenschaften. Aber - so Gerl-Falkovitz in Reichersberg - Küngs Rückbindung an Menschenrechtskataloge, an die griechischen vier Kardinaltugenden oder die sieben Todsünden nach Gregor dem Großen sei «zu grobmaschig». Ethos und Religion bildeten immer ein vielschichtiges Ganzes: «Löst man Teile heraus, wie das mit der Suchformel 'human' für das Weltethos geschehen soll, dann verlieren diese ohne den in der Religion gründenden Zusammenhang ihren verpflichtenden Charakter», so die Religionsphilosophin.

Erfolg versprechender wäre es, alle Religionen und Kulturen aufzufordern, jeweils für sich ihre ethischen Grundsätze im Blick auf bestimmte Einzelfragen verbindlich zu formulieren. Sofern dann weltweite Regelungen erforderlich sind, seien diese so gut wie möglich auszuhandeln. Dadurch bliebe nach Überzeugung von Gerl-Falkovitz das grundlegend Verpflichtende der Religionen und Kulturen auch für den ausgehandelten Kompromiss erhalten.

Gegen eine vereinfachende Gegenüberstellung von «fortschrittlichen Heilern» und «fortschrittsfeindlichen Lebensschützern» im Bereich der Biowissenschaften wandte sich der oberösterreichische Landeshauptmann Josef Pühringer. So sehr auch die christliche Nächstenliebe darauf abziele, Krankheiten zu heilen und Leiden zu lindern, «so wenig darf dieses Ziel um jeden Preis verfolgt werden - gerade um des Menschen willen», so Pühringer. Für ihn gelte der Grundsatz, dass der Mensch und seine Würde immer und überall Vorrang habe.

Weitere Referenten bei den «Reichersberger Pfingstgesprächen» waren der Freiburger Moraltheologe Prof. Eberhard Schockenhoff und die Wiener Molekularbiologin Prof. Christine Mannhalter.

Kathpress
21. mai 2002