Missbrauch: Der Papst fand das befreiende «Mea culpa»

Auch beim Weltjugendtag in Toronto zeigte sich die ungebrochene Anziehungskraft Johannes Pauls II. auf die Jugend

«Kathpress»-Korrespondentenbericht von Johannes Schidelko

Toronto, 28.7.02 (KAP) Zwei «dunkle Wolken» überschatteten und beschäftigten das am Sonntag beendete katholische Weltjugendtreffen von Toronto. Da war die neue Herausforderung durch Terror und Gewalt nach dem 11. September, die in vielen Reden und Diskussionen behandelt wurde, und auf die auch die Kirche Antworten sucht. Eher am Rand stand zunächst die vor allem in Nordamerika überaus heftige Diskussion über Fälle von sexuellem Missbrauch Jugendlicher durch katholische Geistliche. Und so gehörte es zu den Sensationen des Treffens, als Papst Johannes Paul II. in seiner Schlusspredigt dieses heiße Thema in aller Deutlichkeit aufgriff und «Traurigkeit und Scham» über diese Vergehen bekundete. Ein «Mea culpa», das er mit einem Vertrauenserweis für die «große Mehrheit» der Kleriker und ihren großartigen Dienst für Kirche und Welt verband.

Auch wenn die Missbrauchs-Skandale in den Tagen von Toronto nur am Rand anklangen, waren die Worten des Papstes für viele Teilnehmer eine Erleichterung. Das Thema stand im Raum, auch angesichts jüngster Fälle im US-Bundesstaat New Jersey. Ein offizielles Wort des Papstes bei seinem Amerika-Besuch war fällig.

Der Weltjugendtag von Toronto mit seinen zuletzt fast 800.000 Teilnehmern fand im nüchternen, säkularisierten Klima einer multikulturellen Gesellschaft statt. Die kanadische Wirtschaftsmetropole, Inbegriff von Moderne und Zukunftsorientierung, nahm die Teilnehmer gastfreundlich auf. Zugleich zeigte sie, dass Glaube ganz selbstverständlich seinen Platz auch im Ambiente von Wolkenkratzern, Glasfassaden und High Tech hat. Höhepunkt dieser Konfrontation war am Freitag der Kreuzweg auf der University Avenue, der das Geschehen von vor 2000 Jahren in die Gegenwart übersetzte.

Inhaltlich stand bei den gutbesuchten Katechesen das christliche Zeugnis der Jugend in der Welt und das große Thema der Versöhnung im Vordergrund: Versöhnung mit Gott, mit den Mitmenschen, aber auch zwischen Nationen und Religionen, und vor dem Hintergrund der Globalisierung das Ringen um Ausgleich der sozialen und wirtschaftlichen Ungerechtigkeit. In der Sprache der Bibel lautete der Appell: «Ihr seid das Salz der Erde, ihr seid das Licht der Welt» - ein Zitat, dass bei der bewegenden Vigilfeier im Downsview Park in symbolischen Inszenierungen aufbereitet wurde.

Wie die früheren Weltjugendtage war auch Toronto 2002 ein buntes Fest, eine große Party, rein äußerlich gesehen ein katholisches «Woodstock» - nach dem nächtlichen Regen entsprach auch der Matsch auf dem Veranstaltungsgelände dem legendären Original. Aber es war auch ein Treffen mit geistigem Tiefgang, mit ausgefeilten Vorträgen, gut vorbereiteten Gottesdiensten. Diese Mischung war genau richtig, meinte der Mainzer Kardinal Karl Lehmann, der zusammen mit neun weiteren Bischöfen die 6.000 deutschen Jugendlichen begleitete. Er äußerte sich zufrieden über die große Beteiligung, auch über das unkomplizierte Miteinander von neuen Bewegungen («Movimenti») und organisierter Katholischer Jugend.

Ärger löste die Haltung der kanadischen Behörden bei der Visa-Erteilung aus. Zahlreiche Schwarzafrikaner erhielten keine Einreisegenehmigung - aus Angst der Behörden, sie könnten illegal im Land «hängen bleiben». Und auch wenn kanadische Beamte die Quote von 80 Prozent Visa-Bewilligungen als überdurchschnittlich hoch bezeichneten, wurde die «Marginalisierung Afrikas» als «tiefe Wunde mitten in der Begeisterung dieser Tage» beklagt.

Bestimmt wurde auch das Jugendtreffen von Toronto wieder durch das Charisma des Papstes. In vielen Interviews versuchten Journalisten von den Jugendlichen zu erfahren, warum sie dem 82-jährigen, gebückten Mann in Weiß wie einem Popstar zujubelten, warum die vielen Freudentränen fließen, was hinter den Sprechchören und Sympathiebekundungen steht: Die Bewunderung für einen alten Mann, der trotz Gebrechlichkeit auf seinem Posten bleibt, die Dankbarkeit, weil er in ihnen die Zukunft der Kirche, die Baumeister einer besseren Welt sieht, weil er ihnen vertraut. Dabei galt die Zustimmung nicht nur emotional einem bewunderten Idol, sondern auch seiner Botschaft, wie viele befragte Jugendliche an erster Stelle sagten. Auch der Papst blühte auf der Welle von Applaus und Zustimmung sichtlich auf. Er sprach mit kräftiger Stimme, artikulierte deutlich, er zeigte Mimik, lachte, freute sich. Kein Vergleich zu den vergangenen Monaten in Rom. Und der Applaus dürfte noch lauter werden, wenn er am Montag nach Lateinamerika reist und am Mittwoch in Mexiko den Kontinentalheiligen Juan Diego - den Seher von Guadalupe - zur Ehre der Altäre erhebt.

Kathpress
28. juli 2002