Historiker kritisiert Goldhagen-Werk zu Kirche und Holocaust

Bonn, 8.10.02 (KAP) Heftige Kritik am neuen Goldhagen-Buch über die katholische Kirche und den Holocaust äußert der Bonner Historiker Konrad Repgen. In einem Interview mit der deutschen katholischen Nachrichtenagentur KNA warf er dem US-Historiker am Dienstag in Bonn grobe wissenschaftliche Fehler vor. Goldhagen gehe es nicht um die historische Wahrheit und eine Abwägung der Fakten, sondern um Moral. Er begebe sich in die Rolle des Anklägers und benutze Geschichte als Steinbruch, um der Kirche Versagen vorwerfen zu können.

Der Bonner Historiker Repgen ist Mitbegründer und langjähriger Vorsitzender der kirchennahen «Kommission für Zeitgeschichte», die die politische und soziale Geschichte des deutschen Katholizismus im 19. und 20. Jahrhundert erforscht. Er weist unter anderem Goldhagens These vom persönlichen Antisemitismus von Papst Pius XII. sowie dessen Bewertung des Einflusses des Antisemitismus auf die kirchliche Lehre zurück.

Der kirchliche Antijudaismus sei vom rassischen Antisemitismus der Nationalsozialisten sehr verschieden gewesen, argumentiert Repgen. Er sei zudem nicht so prägend für die Kirchengeschichte gewesen, wie Goldhagen es behaupte. Zum angeblichen Antisemitismus Pius XII. sagte der Bonner Historiker, Goldhagen berufe sich auf fehlerhafte Übersetzungen von angeblichen Äußerungen Pacellis. In den Original-Quellen finde sich kein Beleg für antisemitisches Denken des Papstes.

Moralische Abrechnung

Goldhagen, dessen Buch «Die katholische Kirche und der Holocaust» gerade auf Deutsch erschienen ist, wirft der Kirche vor, dass sie diesen Teil ihrer Geschichte bis heute bemäntelt und etwa umstrittene Päpste wie Pius XII. selig sprechen wolle. Er fordert eine moralische Abrechnung mit dem kirchlichen Verhalten während der Nazi-Zeit.

Die Kirche in Deutschland habe «sogar aktiv und willig» geholfen, die Rassengesetze durchzusetzen, indem sie beispielsweise Zugang zu Abstammungsurkunden aus Kirchenarchiven gewährte. Darüber hinaus hätten Kirchenrepräsentanten die Rassengesetze in zahlreichen Ländern Europas befürwortet. «Viele Kleriker waren jedenfalls Komplizen», so Goldhagen, der in seinem ersten, 1996 erschienenen Buch «Hitlers willige Vollstrecker» behauptet hatte, der Judenhass sei tief in der deutschen Tradition verwurzelt gewesen.

Der 1959 in Boston geborene Autor räumt ein, dass katholische Geistliche und Laien vielen Juden geholfen hätten. Eine Kollektivschuld der Kirche sei abzulehnen. «Katholische Geistliche haben vermutlich mehr Juden versteckt als Vertreter jeder anderen Institution», erklärt er. Dennoch seien es gute Taten einer Minderheit geblieben.

Kathpress
8. oktober 2002

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