Papst: Slowakei soll ihr christliches Erbe in die EU einbringen

Johannes Paul II. betont bei seiner Ankunftsrede in Preßburg, dass nur umfassender Schutz des Lebens und der Schwachen die Zukunft garantiert

Preßburg, 11.9.03 (KAP) Papst Johannes Paul II. hat die Slowakei anlässlich des bevorstehenden EU-Beitritts aufgefordert, ihre christliche Tradition in den Aufbau des neuen Europa einzubringen. Beim Aufbau der Europäischen Union gehe es nicht nur um wirtschaftliche Vorteile, sagte er am Donnerstagmittag bei seiner Ankunft auf dem Flughafen der Hauptstadt Pressburg. Nur eine Gesellschaft, die das menschliche Leben in all seinen Stadien respektiert, die Familie schützt und den Schwachen beisteht, garantiere eine sichere und friedliche Zukunft für alle, betonte der Papst zum Auftakt seiner viertägigen Pastoralreise.

Mit Nachdruck rief Johannes Paul II. in seiner Begrüßungsrede die Slowaken zu Frieden, Eintracht und gegenseitigem Verständnis auf. Zugleich würdigte er ihre Glaubenstreue: «Die Geschichte dieses Landes präsentiert sich als eine Geschichte der Treue zu Christus und zur Kirche». Zwei herausragende Glaubenszeugen - der unierte Bischof Vasyl Hopko (1904-76) und die Ordensfrau Zdenka Schelingova (1916-55) - werde er kommenden Sonntag selig sprechen. Einen besondere Gruß richtete der Papst in seiner auf Slowakisch verlesenen Begrüßungsrede auch an die nationalen Minderheiten und die Angehörigen anderer Religionen.

Wörtlich heißt es in der Ansprache des Papstes, von der Johannes Paul II. nur die ersten und letzten Sätze selbst verlas: «Demnächst tritt eurer Land mit vollen Rechten der Gemeinschaft der europäischen Völker bei und wird Mitglied. Meine Lieben, bringt zum Aufbau der Identität des neuen Europa den Beitrag eurer reichen christlichen Tradition bei. Begnügt euch dabei nicht allein mit der Suche nach wirtschaftlichen Vorteilen. Großer Reichtum kann nämlich auch große Armut schaffen. Nur wenn man - eventuell unter Opfern und mit Schwierigkeiten - eine Gesellschaft aufbaut, die das menschliche Leben in all seinen Erscheinungsformen respektiert, die die Familie als Ort der gegenseitigen Liebe und des Wachstums der Person fördert, die das Gemeinwohl sucht und den Erfordernissen der Schwächsten Rechnung trägt, hat man die Garantie für eine Zukunft, die auf einer für das Gemeinwohl aller soliden und reichen Basis gründet».

Kein Wort zum 11. September

Auf den 11. September ging Johannes Paul II. in seiner Rede am zweiten Jahrestag der Terroranschläge in den USA nicht eigens ein. Vatikansprecher Joaquin Navarro-Valls verwies im Gespräch mit Journalisten auf den Leitartikel des «Osservatore Romano» vom Donnerstag unter dem Titel «Ein Anschlag auf den Frieden». Darin betont Giuseppe M. Petrone, dass die «unmenschlichen terroristischen Attacken in New York und Washington» nicht nur den Vereinigten Staaten, sondern dem Frieden in der Welt gegolten hätten. Der Papst habe damals von einem «dunklen Tag in der Geschichte der Menschheit», von einem «schrecklichen Affront auf die Menschenwürde» gesprochen und die Frage angeschlossen: «Wie können Episoden von solcher entfesselten Grausamkeit möglich sein?».

Staatspräsident Schuster dankte dem Papst für den dritten Besuch in seinem Land - nach 1990 und 1995. Die Slowakei identifiziere sich mit den jüngsten Äußerungen des Papstes zur EU und mit seiner Forderung, «dass ethische und zivile Werte die Grundlage der Organisation jeder Gesellschaft bilden müssen». Er bezeichnete den Papst als «hohe moralische Autorität», die in aller Welt für Solidarität und für ein menschenwürdiges Leben aller Völker eintrete. «Hier gibt es in der heutigen Welt noch viel zu korrigieren», so der Präsident.

Seit dem letzten Papstbesuch 1995 habe sich die Slowakei verändert, sagte Schuster weiter. Die Demokratie habe sich gefestigt, und viele bis dahin ungeklärte Fragen seien gelöst worden. Ausdrücklich verwies er auf die Verträge, die im Jahre 2000 zwischen der Slowakei und dem Vatikan abgeschlossen wurden. Die gegenseitigen Beziehungen seien stabil.

Vom Flughafen aus fuhr der Papst im Papamobil zur Nuntiatur in Preßburg wo er nacheinander Gespräche mit dem slowakischen Präsidenten, mit Parlamentspräsident Pavol Hrusovsky und Ministerpräsident Mikulas Dzurinda führte. Am Abend will Johannes Paul II. einen privaten Besuch in der Kathedrale des 60 Kilometer entfernten Tyrnau (Trnava) unternehmen.

Johannes Paul II. verließ über eine hydraulische Hebebühne das Flugzeug und wurde im Rollsessel über den roten Teppich geschoben. Nach der Begrüßung durch Präsident Schuster und dessen Gattin überreichten Kinder in traditionellen Kostümen dem Papst zunächst Blumen und dann als Willkommensgruß auch Salz und Brot. Nach dem Abspielen der Nationalhymnen und militärischen Ehren hielten erst der Präsident und dann der Gast aus Rom ihre Ansprachen.

Navarro: Dem Papst Anstrengungen ersparen

Der Vatikan bemüht sich nach Worten seines Sprechers Joaquin Navarro-Valls, dem Papst bei seiner Reise unnötige Strapazen möglichst zu ersparen. Zur Begrüßungsrede des Papstes, die teilweise von einem slowakischen Geistlichen verlesen wurde, meinte Navarro: «Es erscheint mir logisch, dass man dem Papst auf jede Weise die Anstrengungen bei seinen Reisen erleichtert». Der Vatikansprecher erinnerte zugleich daran, dass auch bei anderen Reisen in den vergangenen Jahren immer wieder Teile der Papstreden von Sprechern vorgetragen wurden.

Dank an Schuster in Sachen Abtreibungsfrage

Papst Johannes Paul II. hat dem slowakischen Präsidenten Rudolf Schuster persönlich dafür gedankt, dass er die Unterschrift unter das Abtreibungsgesetz verweigert hat. Das teilte Vatikansprecher Joaquin Navarro-Valls am Donnerstag im Anschluss an einen Besuch des Präsidenten beim Papst in der Nuntiatur mit. Johannes Paul II. habe anerkannt, dass der Präsident damit ein «Zeugnis für sein Land und vor der Welt abgegeben habe».

Nach der offiziellen Begrüßungszeremonie auf dem Flughafen der slowakischen Hauptstadt, bei der Schuster den Papst bereits offiziell begrüßt hatte, fuhr der Präsident in die Nuntiatur, in der Johannes Paul II. während seines viertägigen Slowakei-Aufenthalts wohnt. Die Verweigerung der Unterschrift im Juli durch das Staatsoberhaupt bedeutet, dass die Debatte um die Abtreibungsgesetznovelle in der Slowakei neu aufgerollt werden muss.

Kathpress
11. september 2003

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