Frankreichs Nationalversammlung berät Bioethik-Gesetze

Aber keine endgültige Verabschiedung vor den Parlamentswahlen

"Kathpress"-Korrespondentenbericht von Christoph Lennert

Paris, 16.1.02 (KAP) Die französische Nationalversammlung hat am Dienstag mit der Debatte über die neuen Bioethik-Gesetze des Landes begonnen. Die zunächst auf vier Tage angesetzte Diskussion wird allerdings nicht sofort zu einem gültigen Gesetzestext führen. Weil auch der Senat gehört werden muss und eine zweite Lesung wahrscheinlich ist, kommt die endgültige Abstimmung erst nach den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen in diesem Frühjahr: Ende Februar stellen die Abgeordneten angesichts der Wahlen ihre Arbeit ein.

Die Reform der Bioethik-Gesetze war nötig geworden, weil die sehr strikten geltenden Regelungen von 1994 fünf Jahre nach ihrem In-Kraft-Treten überarbeitet werden sollten. Seit 1999 gab es daher Diskussionen. Dass es bislang noch nicht zur Reform kam, liegt daran, dass die Beteiligten sich über viele Fragen nicht verständigen konnten. Einigkeit besteht allerdings darüber, dass das Klonen zu Fortpflanzungszwecken ausgeschlossen bleiben soll. Auch wollen die Abgeordneten verhindern, dass Franzosen im Ausland klonen lassen oder etwa Embryonen an Sekten spenden, die solche Experimente planen. Fünf Jahre Gefängnisstrafe sind dafür vorgesehen.

Es sieht zudem danach aus, als würde auch das therapeutische Klonen weiter verboten bleiben. Der sozialistische Premierminister Lionel Jospin hatte zwar im November 2000 erklärt, er wolle diese Forschungsrichtung unter bestimmten Bedingungen gestatten. Nur wenige Tage später sprach sich aber der neogaullistische Staatspräsident Jacques Chirac gegen das therapeutische Klonen aus. Auch der nationale Ethikrat lehnte 2001 das therapeutische Klonen ab. Jospin beugte sich und stellte fest, es gebe "keinen ausreichenden gesellschaftlichen Konsens" für seinen Vorschlag. Gleichwohl gibt es in Regierung und Parlament weiter Befürworter des therapeutischen Klonens; dazu gehört etwa Gesundheitsminister Bernard Kouchner. Die Abgeordneten müssen über einen Änderungsantrag des Sozialisten Henri Emmanuelli debattieren, der eine Zulassung des therapeutischen Klonens fordert.

Unstrittig scheint dagegen, dass das bislang geltende absolute Verbot der Embryonenforschung gelockert werden soll. Während die katholische Kirche ihre Ablehnung erkennen ließ, verlangten zuletzt vor allem Nobelpreisträger und die Akademie der Medizin hier eine Liberalisierung. Zulässig soll künftig die Forschung an so genannten "überzähligen" Embryonen werden, die bei der künstlichen Befruchtung entstehen. Kernstück des Gesetzentwurfs ist, dass eine neue Agentur geschaffen werden soll, die über Forschungsprojekte entscheidet. Die "Behörde für Fortpflanzung, Embryologie und Genetik" wird darüber hinaus einen Jahresbericht erstellen und die Politik über neue Entwicklungen informieren. Ihr kommt damit eine entscheidende Rolle bei der Auslegung der neuen Bioethik-Gesetze zu.

Liberalisieren wollen die Abgeordneten auch Bestimmungen bei der künstlichen Befruchtung und bei der Organtransplantation. So soll künftig zulässig werden, einer Frau auch eine von ihrem zwischenzeitlich verstorbenen Mann befruchtete Eizelle einzupflanzen. Bei der Organverpflanzung soll die Organspende unter lebenden Spendern erleichtert werden. Bislang war die Organspende nur den engsten Verwandten - den Eltern, Geschwistern und Kindern - gestattet. Künftig sollen auch andere Spender in Frage kommen, "wenn eine enge und dauerhafte Gefühlsbindung" zwischen Spender und Empfänger besteht. Dies zu prüfen, wird Sache staatlicher Behörden sein.

Angesichts der großen gesellschaftlichen Bedeutung der Fragen haben alle Parteien den Fraktionszwang aufgehoben. Die Abgeordneten sollen nur nach ihrem Gewissen entscheiden. Nicht völlig ausgeschlossen ist sogar, dass die Franzosen noch länger auf neue Bioethik-Gesetze warten müssen: Mehrere Abgeordnete der bürgerlichen Opposition haben Geschäftsordnungsanträge eingereicht, den Gesetzentwurf in seiner gegenwärtigen Form völlig zurückzuweisen.

Kathpress
16. januar 2002