Franziskaner wollen Bethlehems Geburtskirche verlassen

Jerusalem, 23.4.02 (KAP) Die meisten der rund 30 Franziskaner in der belagerten Bethlehemer Geburtskirche wollen das Gotteshaus verlassen. Die humanitäre Situation verschlechtere sich zusehends, sagte der Guardian des Klosters, P. Johannes Simon, am Montag in einem Telefongespräch aus Bethlehem. "Wir haben gar nichts mehr", so P. Simon. Deshalb werde die Mehrzahl der Franziskaner bald nach Jerusalem gehen, nur fünf oder sechs der Brüder sollten in dem Kloster direkt neben der Geburtskirche verbleiben. Selbst dann reichten die wenigen noch vorhandenen Lebensmittel noch für maximal eine Woche.

Derzeit halten sich noch etwa 200 teils bewaffnete Palästinenser sowie rund 40 christliche Ordensleute in dem Gebäudekomplex der Geburtskirche auf, der von der israelischen Armee belagert wird. Am Sonntagnachmittag hatten fünf jugendliche Palästinenser die Kirche verlassen. Nach israelischen Militärangaben wurden sie mit Mangelerscheinungen wie Unterernährung in ein Krankenhaus gebracht. Am Montag sollen nach bislang unbestätigten Angaben zwei weitere Personen das Gotteshaus verlassen haben.

Schusswechsel an der Geburtskirche

Am Montagabend soll es nach bislang unbestätigten Berichten zu einem Schusswechsel an der Geburtskirche gekommen sein. In dem Gotteshaus verschanzte Palästinenser sowie die die Kirche belagernden israelischen Soldaten hätten Schüsse abgegeben, meldete das israelische Fernsehen unter Berufung auf palästinensische Quellen. Außerdem sei ein Brand ausgebrochen.

Verhandlungen am Dienstag?

Von Seiten der Franziskaner im Kloster an der Geburtskirche wurde gegenüber der Missionspresseagentur "Misna" bestätigt, dass bei dem Schusswechsel am Montagabend die Marienstatue an der Basilika beschädigt wurde. Das in der Folge des Schusswechsels ausgebrochene Feuer habe erneut jenen Teil des Gebäudekomplexes betroffen, in dem die vier griechisch-orthodoxen Mönche wohnen. Bereits am 16. April hatte dort ein Feuer mehrere Räume zerstört.

Laut Medienberichten sollten am Dienstag endlich die direkten Verhandlungen zwischen Israelis und Palästinensern für eine Lösung der Krise um die Geburtskirche beginnen, drei Wochen nach Beginn der Belagerung des Gotteshauses. Palästinenserpräsident Yassir Arafat habe am Montag gegenüber dem US-Vize-Außenminister William Burns den Verhandlungen zugestimmt. Angeblich soll auch eine dritte Partei an den Gesprächen teilnehmen. Arafat wollte bisher immer einen Vertreter des Lateinischen Patriarchats dabei haben, was Israel strikt ablehnte. Wer nun als Dritter am Verhandlungstisch sitzt, blieb bis zuletzt unklar.

Der Bethlehemer Bürgermeister Hanna Nasser, der dem palästinensischen Verhandlungsteam angehört, erklärte noch am Montagabend, er habe noch keine offizielle Mitteilung über einen Verhandlungsbeginn.

Die toskanischen Bischöfe von Fiesole und Montepulciano sowie der Vorsitzende der Bischofskonferenz der Toskana, Erzbischof Alessandro Plotti von Pisa, hatten sich am Montag ein zweites Mal in einem dramatischen Appell an Arafat gewandt, mit der Bitte um sofortige Zustimmung zu Verhandlungen zur Räumung der Geburtsbasilika. Ein erster Appell war bereits am 19. April an den Palästinenserchef ergangen. "Alle - palästinensische Kämpfer, Franziskanermönche, Ordensfrauen, griechisch-orthodoxe und armenische Mönche - sind nunmehr an der äußersten Grenze ihrer körperlichen und psychischen Belastbarkeit angelangt. Ein weiterer Verbleib würde zu Verhungern und Verdursten führen oder zu Verzweiflungstaten, die für alle tödliche Folgen haben könnten", warnten sie.

Drei armenische Priester verließen Geburtskirche

Drei armenische Priester, die an der Geburtskirche tätig sind, haben am Dienstag das besetzte und belagerte Gotteshaus verlassen. Sie wurden von israelischen Soldaten in Empfang genommen. Nach Angaben des israelischen Rundfunks berichteten die Geistlichen, bewaffnete Palästinenser seien zuvor in den armenischen Bereich des Gebäudekomplexes vorgedrungen und hätten Kreuze zerstört sowie Gold gestohlen. Zuvor waren zwei andere Priester auf dem Dach der Geburtskirche erschienen und hatten um Hilfe gebeten. "Bitte helft uns", stand auf dem Plakat zu lesen, das die Geistlichen kurz hochhielten. Dann verschwanden sie wieder in die Kirche.

In der Nacht zum Dienstag war es zwischen den in der Kirche verschanzten Palästinensern, von denen zahlreiche bewaffnet sind, und der israelischen Armee zu heftigen Schusswechseln gekommen. Über der Geburtskirche lagen dichte Rauchschwaden. Nach unbestätigten Angaben soll eine Tränengasbombe in die Kirche abgeschossen worden sein.

Laut jüngsten Angaben sollten die israelisch-palästinensischen Verhandlungen zur Geburtskirche um 11 Uhr Ortszeit beginnen. Auf der palästinensischen Seite sollten Bethlehems Bürgermeister Hanna Nasser, Tourismusminister Abu Aita sowie der Abgeordnete Salah Tammri teilnehmen. Nach Angaben Nassers handelt es sich um um ein Gespräch zur Ausleuchtung der verschiedenen Möglichkeiten.

Kathpress
23. april 2002