Heiliges Land: Christliche Schulen vor der Schließung?

Melkitischer Patriarch nahm in "Kathpress"-Gespräch zur schwierigen Situation in Nahost - Spannungen zwischen den "unierten" Patriarchen des Nahen Ostens und der römischen Kurie: Gemeinsames Memorandum an den Papst

Rom-Jerusalem, 19.10.01 (KAP) Als äußerst schwierig, teilweise "katastrophal" hat der melkitische ("unierte") Patriarch von Antiochien, Gregorios III. Laham, die Lage der Christen im Heiligen Land bezeichnet. Seit mehr als einem Jahr habe die zweite Intifada den gesamten Nahen Osten in Brand gesetzt. "Es gibt Auseinandersetzungen, Kämpfe, Blut und Opfer auf beiden Seiten", sagte der Patriarch am Rand der in Rom tagenden Bischofssynode in einem "Kathpress"-Gespräch in Rom. Die Kirche werde möglicherweise Mitte des Schuljahres sogar ihre Schulen in Jerusalem, Bethlehem und Ramallah schließen müssen. Infolge der hohen Arbeitslosigkeit könnten viele Eltern das Schulgeld für die katholischen Privatschulen nicht mehr aufbringen. "Trotzdem bin ich weiterhin Optimist und glaube, es wird einen palästinensischen Staat geben", betonte Laham.

Die Terroranschläge in Amerika bezeichnete der Patriarch als "Anschlag auf das Gewissen der Menschen". Zusammen mit den anderen religiösen Führern und Patriarchen des Nahen Ostens habe er die Anschläge "ganz klar verdammt" und fordere nun eine "Allianz für das Gemeinwohl". Dabei gehe es nicht nur um einen Schulterschluss mit Amerika, sondern "darüber hinaus um einen Einsatz für Entwicklung, Freiheit, Gerechtigkeit, für neue Arbeitsplätze, für das Wohl der Bürger und ihre Entwicklung in den arabischen Ländern". Die Ursachen, die hinter all diesen Explosionen, Tragödien und Grausamkeiten stünden, müssten bekämpft werden. Und ein "Hauptherd der Unruhen, der Unzufriedenheit und der Bitterkeit gegen Amerika" sei der Palästina-Konflikt. Besonders in die Pflicht genommen sind nach Ansicht von Laham die Europäer, die im Nahen Osten eine aktivere und eigenständigere Rolle spielen sollten.

Zum ersten Mal nimmt der neue melkitische Patriarch an einer Bischofssynode im Vatikan teil. Die Rolle der katholischen Ostkirchen, ihr Beitrag zur Ökumene mit der Orthodoxie, aber auch die Lage seiner Christen im Heiligen Land standen im Mittelpunkt seiner Interventionen. Da zu dem halben Dutzend Sprachen, die er beherrscht, auch Deutsch gehört, hat er sich für die 21-köpfige deutsche Sprachgruppe angemeldet, und trägt dort seine Belange vor.

Seit dem Konzil hätten die katholischen Ostkirchen "weniger Selbständigkeit als zuvor", bedauerte Gregorios III. Das gelte für die Rechte der Patriarchate ebenso wie für die Wahl der Bischöfe. Ihm gehe es - auch im Blick auf den Dialog mit der Orthodoxie - um eine Klärung der Position der ostkirchlichen Patriarchate, die ja nicht von Rom gegründet seien und traditionell eine breite Eigenständigkeit besäßen: "Die ostkirchlichen Patriarchate müssten ein Partner für die römische Kurie sein, und nicht ein Untertan. Sie müssen Dialogpartner sowohl für die römischen Katholiken wie auch für die Orthodoxen sein".

Wie Laham im "Kathpress"-Gespräch mitteilte, hätten die sieben katholischen Patriarchen des Nahen Ostens dem Papst am Rand der Synode ein vertrauliches Dokument übergeben. Der Titel: "Beziehungen der Patriarchalkirchen mit dem Apostolischen Stuhl von Rom". Der Text enthalte eine Studie über die Geschichte der Beziehungen der Patriarchate mit Rom, untersuche die aktuelle Lage und befasse sich mit künftigen Perspektiven. Eine Antwort oder Reaktion gebe es natürlich noch nicht, so der Patriarch. Aber er hoffe, dass dadurch ein neuer Denk- und Diskussionsprozess in Gang gesetzt werde und die Ökumene insbesondere mit der Orthodoxie frische Anstöße erhalte.

"Wir sind bei der Synode hier 25 Vertreter der 'unierten' Kirchen. Und wir verstehen uns auch als Präsenz des abwesenden Ostens", unterstrich der Patriarch. Die "Unierten"-Frage, die bei den letzten wenig erfolgreichen offiziellen katholisch-orthodoxen Dialogrunden im Vordergrund stand, ist für ihn "eigentlich nur Fassade, nur ein Vorwand". Bei einer Neubelebung des Dialogs mit der Orthodoxie sollte die griechisch-katholische Kirche eine ganz besondere, freilich diskrete Aufgabe übernehmen. Dies gelte nicht nur für den Nahen Osten, sondern auch für Osteuropa.

Kathpress
19. oktober 2001