Eindringlicher Friedensappell des Papstes bei Ankunft in Baku

Johannes Paul II. in Azerbaidschan eingetroffen - Absage an Fundamentalismus, Imperialismus und Gewalt im Namen Gottes, Plädoyer für Toleranz und Dialog

Rom-Baku, 22.5.02 (KAP) Mit einem eindringlichen Friedensappell für die vorderasiatischen Kriegs- und Krisenherde hat Papst Johannes Paul II. am Mittwoch seinen 25-stündigen Aufenthalt in Azerbaidschan begonnen. "Von dieser Pforte der Zivilisation aus richte ich einen eindringlichen Appell an jene Länder, die Schauplatz kriegerischer Auseinandersetzungen sind und wo die wehrlose Bevölkerung unerträglichen Leiden ausgesetzt ist. Frieden ist eine dringliche Pflicht für alle", so der Papst in seiner Begrüßungsansprache auf dem Flughafen der Hauptstadt Baku.

Insbesondere an die Religionsführer appellierte Johannes Paul II., auf jede Gewalt zu verzichten und für Frieden, Harmonie und Anerkennung der Menschenrechte eines jeden einzutreten. Eine besondere Absage erteilte der Papst dem Fundamentalismus und jeder Form von Imperialismus. Gewalt sei ein Angriff auf den Namen Gottes. Religionen dürften nie "tragischer Vorwand für Gegensätze werden, die ihren Ursprung andernorts haben. Keiner hat das Recht, durch die Anrufung Gottes die eigenen egoistischen Interessen zu decken".

Er beginne seine Reise nach Azerbaidschan genau am 10. Jahrestag der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen dem Vatikan und dem Land am Kaspischen Meer, sagte Johannes Paul II. Die nach langer Fremdherrschaft erreichte Unabhängigkeit sei in den ersten Jahren mit manchen Problemen und Leiden einhergegangen. Das Land habe jedoch die Hoffnung auf den Aufbau einer besseren Zukunft in Freiheit nicht verloren.

Er lobte den kulturellen Reichtum und die Formenvielfalt in der Kaukasus-Region und verwies auf die verschiedenen Religionen, die das Land geprägt haben: den Zoroastrismus, das Christentum, den Islam, der heute die Mehrheitsreligion bilde, und das Judentum. Dank der hier gepflegten Toleranz hätten auch die Christen Seite an Seite mit den Gläubigen anderer Religionen leben können. Der Papst äußerte die Hoffnung, dass bestehende Spannungen rasch überwunden und alle Frieden in Gerechtigkeit und Wahrheit finden könnten.

"Hier an der Pforte des Orients, nicht weit von den Orten entfernt, wo weiterhin grausam und intensiv die Waffen detonieren, möchte ich meine Stimme im Geist des Treffens von Assisi erheben", wandte sich der Papst an seine Zuhörer. Echter Friede beruhe "auf gegenseitigem Respekt, auf der Zurückweisung von Fundamentalismus und jeder Form von Imperialismus, in der Suche nach Dialog als einzigem gültigen Instrument zur Schlichtung von Spannungen, ohne ganze Nationen in die Barbarei eines Blutbades zu stürzen".

Johannes Paul II. war am Mittwochmittag (MEZ) nach vierstündigem Flug in Azerbaidschan eingetroffen. Auf dem Flughafen von Baku wurde er von Staatschef Heidar Alijew und den Mitgliedern der Regierung empfangen, weiters von Nuntius Claudio Gugerotti und drei Salesianer-Patres begrüßt, die in dem Kaukasusstaat die katholische Seelsorge leiten.

Bei bewölktem Himmel zeigte sich der Papst nach der Landung zunächst kurz an der geöffneten Flugzeugtür, grüßte die Menschen auf dem Flugfeld und ließ dann seine Begleiter über die Gangway hinabsteigen. Er selbst verließ die Maschine auf der anderen Seite über eine hydraulische Hebebühne und wurde auf einer fahrbaren Plattform über den Roten Teppich entlang der Ehrenformationen gefahren. Er küsste ein Schale mit Erde des Landes, die ihm von zwei Jugendlichen in traditioneller Landestracht gereicht wurde.

Nach der Begrüßungszeremonie stand eine Besuch am Denkmal für die Gefallenen der Unabhängigkeitskriege in der Hauptstadt Baku auf dem Programm. Anschließend wollte der Papst dem Staatspräsidenten einen Höflichkeitsbesuch abstatten und danach mit Religionsvertretern und Politikern zusammentreffen.

Johannes Paul II., der neben Staatspräsident Alijew auf einer kleinen Bühne unter einem Baldachin Platz nahm, hielt seine Ansprache in russischer Sprache, die von einem Dolmetscher blockweise ins Englische übersetzt wurde. Nach einem Viertel der Rede wurde der Text dann von einem Sprecher verlesen. Dieser Ablauf sei vorab geplant gewesen, sagte Vatikansprecher Joaquin Navarro-Valls gegenüber mitreisenden Journalisten. Unter den Gästen, die nach den Grußreden dem Papst einzeln vorgestellt wurden, war neben Politikern und Diplomaten auch der Bischof der russisch-orthodoxen Diözese von Baku.

Alijew erinnert an Opfer des Kriegs mit Armenien

Präsident Alijew hieß den Papst willkommen und bezeichnete ihn als große Persönlichkeit und als Freund aller Völker, der mutig Einfluss auf die Geschichte nehme. Er erinnerte an die Opfer des Konfliktes mit dem Nachbarland Armenien um die Region Berg-Karabach, bei dem mehr als eine Million Azeris zu Flüchtlingen geworden seien, weil ihr Territorium durch die Armenier besetzt worden sei. Diese Menschen warteten auf tröstende Worte des Papstes, und sie hofften darauf, dass die Gerechtigkeit siege. "Dazu bitten sie Seine Heiligkeit um Hilfe", so der Präsident.

Die Bevölkerung Azerbaidschans sei für ihre Toleranz bekannt und wisse den Besuch des Papstes zu schützen, fügte Alijew hinzu. Der Besuch in dem mehrheitlich islamischen Land sollte zugleich ein Symbol und ein Signal für den Dialog zwischen den Religionen, zwischen Christentum und Islam sein, so der Präsident.

Gebet am Denkmal für Kriegsopfer

Vom Flughafen aus fuhr der Papst zum Denkmal für die Opfer der azerbaidschanischen Unabhängigkeitskrieges. In der Gedenkstätte, die sich in der Hauptstadt Baku auf einer Anhöhe über dem Hafen des Kaspischen Meeres befindet, sind mehrere hundert Tote aus den verschiedenen Befreiungskämpfen beigesetzt.

Johannes Paul II. ging wenige Schritte von seinem Auto zum zentralen Monument und verharrte sitzend einige Minuten im Gebet. Anschließend trug er sich in das Gästebuch der Gedenkstätte sein. Lautstarken Beifall erhielt er nach dieser Zeremonie von einigen Dutzend Jugendlichen, die den Papst mit Sprechchören und weiß-gelben Vatikan-Fahnen willkommen hießen. Die Gruppe hatte sich unmittelbar vor einer Moschee postiert, rund 50 Meter vom Besuchspunkt des Papstes entfernt.

Von der Gedenkstätte aus fuhr Johannes Paul II. zu einem Höflichkeitsbesuch bei Staatspräsident Haidar Alijew in das Präsidentenpalais. In diesem Gebäude sollte anschließend eine Begegnung des Papstes mit Religionsführern und Politikern stattfinden.

Kathpress
22. mai 2002

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