Der «Menschenfischer» auf seiner 100. Reise

Johannes Paul II. spricht in Kroatien zentrale Themen der Wertekrise nach dem Ende des Kommunismus an

«Kathpress»-Korrespondentenbericht von Ludwig Ring-Eifel

Zagreb, 6.6.03 (KAP) Mit einer ungewöhnlichen Geste hat Papst Johannes Paul II. seine 100. Auslandsreise begonnen, die ihn für fünf Tage nach Kroatien führt. Nach seiner Landung auf dem Inselflughafen von Krk in der Adria nahm der Papst ein Schiff, um sein Reiseziel Rijeka auf dem kroatischen Festland zu erreichen. Die Überfahrt von neun Seemeilen fand auf einem weißen Katamaran statt, bei der Abfahrt von der Insel Krk wie bei der Ankunft im Hafen von Rijeka jubelten Tausende dem Papst zu.

Mit seiner kurzen Schiffsreise knüpfte Johannes Paul II. symbolisch an die Fortbewegungsmethode des Heiligen Paulus an, der ebenfalls per Schiff das Mittelmeer bereiste, um den Menschen die christliche Botschaft zu predigen. So machte der Papst bei seinem 100. Auslandsbesuch noch einmal deutlich, dass er sich, wie er es einst bei einer seiner frühen Reisen in den achtziger Jahren gesagt hatte, als Nachfolger nicht nur des «Menschenfischers» Petrus, sondern auch des Völkerapostels Paulus sieht.

Bei seiner 100. Reise außerhalb Italiens hat sich der 83-jährige Papst ein anstrengendes Programm aufgebürdet. Mindestens fünf Städte will er in knapp fünf Tagen besuchen. Wenn seine Gesundheit und der Zeitplan es erlauben, könnte am Samstag noch ein zusätzlicher Abstecher in die stark zerstörte Symbolstadt Vukovar eingebaut werden, wo der Friedensapostel ähnlich wie bei seinem Besuch in Sarajevo vor sechs Jahren noch einmal mit dem Horror des noch immer nicht überwundenen Jugoslawien-Krieges konfrontiert würde.

Die Bewältigung des Krieges mit seinen enormen menschlichen und wirtschaftlichen Schäden ist ein wichtiges, aber keineswegs das einzige Thema dieser überraschend langen 100. Pastoralreise des Papstes. «Die Familie - Weg der Kirche und der Nation» lautet das offizielle Motto. Schon in seiner Ankunftsrede am Flughafen von Krk sprach der Papst die inhaltlichen Schwerpunkte an, die in manchem an seine Polenreisen in der post-kommunistischen Ära erinnern. Denn auch das nach Westen ausgerichtete Kroatien durchläuft, wie kroatische Kirchenvertreter berichten, eine tiefe Werte-Krise und erlebt die Zweischneidigkeit der Freiheit. Der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Erzbischof Josip Bozanic, sprach jüngst in einem Zeitungsinterview von einer «tiefen geistigen Krise». Die Ausbreitung der Konsummentalität und des Individualismus bedrohe die Institution Familie und damit das gesamte kroatische Volk.

Weitere Themen, die der Papst bei seiner Ankunft nannte, waren die Rückbesinnung auf das christliche Erbe des Landes und die Berufung Kroatiens, seinen religiösen Reichtum in das geeinte Europa einzubringen. Außerdem sprach er die Auswüchse des «wilden» Kapitalismus an, der nach dem Ende des Tito-Kommunismus zu einem Anwachsen von Arbeitslosigkeit, Korruption und Kriminalität geführt hat. Er forderte eine Politik des sozialen Ausgleichs und der Gerechtigkeit, vor allem für die Verlierer der Systemumstellung. Und er ging darauf ein, dass die Menschen im ehemaligen Jugoslawien als einzige in der Osthälfte Europas nicht nur die Folgen von Jahrzehnten des Kommunismus, sondern auch die Lasten eines Krieges nach dem Ende der totalitären Herrschaft zu tragen haben.

Das Programm des Papstes in Kroatien enthält viele Elemente, die von seinen früheren Reisen bekannt sind, darunter die Seligsprechung einer Ordensgründerin in Dubrovnik. Doch manches andere fehlt. So ist trotz der relativ langen Dauer kein eigenes Treffen mit Jugendlichen vorgesehen, das sonst fast immer zum Programm gehört. Auch ist kein eigener Termin für ein Treffen mit Vertretern anderer Konfessionen und Religionen geplant, an die er sich dafür um so freundlicher und eindringlicher mit einem Friedensappell in der Begrüßungsrede wandte. Diese augenfälligen Lücken bei der 100. Papstreise deuten darauf hin, dass die Reiseplaner weiterhin Zugeständnisse an die angegriffene Gesundheit des Papstes machen müssen. Die Freude einer halbstündigen Bootsfahrt entlang der dalmatinischen Küste in der Abendsonne ließ sich der Papst bei seiner 100. Reise dennoch nicht entgehen.

Kathpress
6. juni 2003

av Webmaster publisert 06.06.2003, sist endret 06.06.2003 - 13:51