Die "Sensationen" von Fatima

Dem Papst ging es darum, das Geschehen von Fatima in den heilsgeschichtlichen Zusammenhang zu stellen

"Kathpress"-Korrespondentenbericht von Ludwig Ring-Eifel

Lissabon, 15.5.00 (KAP) Zwei "Sensationen" hat der Vatikan am Samstag im portugiesischen Marienwallfahrtsort Fatima angekündigt: Das sagenumwobene "dritte Geheimnis von Fatima" hat mit dem Papstattentat von 1981 sowie mit dem Untergang der kommunistischen Diktaturen in Europa im Jahr 1989 zu tun. Und, Sensation Nummer zwei, der volle Text der Prophezeiung wird demnächst von der vatikanischen Glaubenskongregation unter Kardinal Joseph Ratzinger zusammen mit einem theologischen Kommentar veröffentlicht. Die Ankündigung machte kein geringerer als Kardinal-Staatsekretär Angelo Sodano in einer überraschenden Rede nach dem Seligsprechungsgottesdienst, den Papst Johannes Paul II. am gleichen Tag in Fatima für die beiden Hirtenkinder Jacinta und Francisco Marto gefeiert hatte.

Sodano erklärte, dass das bislang nicht veröffentlichte Geheimnis "prophetische Visionen", ähnlich denen der Bibel, enthalte und symbolisch interpretiert werden müsse. Genaue Zeitangaben gebe es nicht, und es gebe auch keine "fotografisch klaren Details". Trotz dieser Einschränkung war Sodano eindeutig, was den Inhalt betrifft: Das Geheimnis handle vom Kampf der atheistischen Systeme gegen die Kirche und darüber hinaus auch vom Attentat auf Johannes Paul II., das Ali Agca 1981 auf dem Petersplatz verübte.

Sodano bestätigte mit seiner Rede, dass die Weissagungen der Muttergottes weitgehend bereits im 20. Jahrhundert eingetreten zu sein scheinen, und dass diese Interpretation auch durch die noch lebende Seherin Lucia bestätigt wird. Zugleich betonte er, dass dennoch die Angriffe auf die Kirche und das Martyrium von Christen in einigen Teilen der Welt weiter gingen. Deshalb bleibe der Aufruf der Mariens zu Umkehr und Gebet weiter aktuell.

Der Papst als Hauptperson der Enthüllungen hatte Sodano mit der Rede beauftragt, hörte aber selbst schweigend zu, während der Kardinal-Staatssekretär sprach. Johannes Paul II. hatte zuvor im Gottesdienst bei seiner Predigt einige Andeutungen gemacht, die den Schluss zuließen, dass er die Geheimnisse von Fatima als bereits erfüllt ansieht. So stellte er eine Verbindung her zwischen den Visionen der Kinder und denen der Offenbarung des Johannes aus dem Neuen Testament.

Und Johannes Paul II. sprach von den Katastrophen des 20. Jahrhunderts, den Weltkriegen, den Vernichtungslagern und Gulags, den ethnischen Säuberungen, den Angriffen auf das geborene und das ungeborene Leben, sowie von den Christen, die in diesem Jahrhundert in Zeiten harter Prüfungen durch ihr Leben und Sterben Zeugnis für den Glauben gaben. "Hier in Fatima, wo diese Zeiten der Prüfung prophezeit worden sind, will ich dem Himmel danken für die Kraft dieses Zeugnisses", sagte der Papst. Sodann dankte er abermals der Muttergottes von Fatima für seine Errettung beim Attentat von 1981 und erinnerte daran, dass in den Visionen von Fatima auch von den Leiden des Papstes die Rede gewesen sei.

Am Abend zuvor hatte der Papst bereits in einer eindrucksvollen Geste angedeutet, wie wichtig ihm die Geschehnisse von Fatima sind. Der Papst, der am kommenden Donnerstag 80 Jahre alt wird, legte neben der Marienstatue in der Erscheinungskapelle den Ring als Geschenk nieder, den ihm der polnische Primas Kardinal Jozef Wyszinski im Oktober 1978 zu seinem Amtsantritt als Papst geschenkt hatte. Der polnische Kardinal war es gewesen, der Johannes Paul II. bei seiner Wahl gesagt hatte: "Du wirst die Kirche ins Jahr 2000 führen".

Kathpress