Pius XII.: Historikerkommission möchte weitere Akten sehen

Laut «Ha'aretz» ist derzeit noch immer unklar, ob Pius XII. vom Plan einer systematischen Ausrottung der Juden gewusst hat

Jerusalem-Rom, 4.8.00 (KAP) Die gemischte Historikerkommission zur Erforschung des vatikanischen Verhaltens im Zweiten Weltkrieg ist laut einem Bericht der israelischen Zeitung «Ha'aretz» bislang nicht zu eindeutigen Ergebnissen über Pius XII. gelangt und schlägt deshalb zusätzliche Akteneinsicht vor. Wie das Blatt am Freitag berichtete, ist die gemischte jüdisch-katholische Forschergruppe der Meinung, aus den vom Vatikan veröffentlichten Dokumenten könnten die Motive für das Handeln des Papstes den Nationalsozialisten gegenüber nicht eindeutig geklärt werden.

Unter anderem bleibe unklar, ob Pius XII. vom Plan einer systematischen Ausrottung der Juden - der so genannten «Endlösung» - gewusst habe. Sicher sei hingegen, dass er über Verfolgungen in den von den Deutschen besetzten Gebieten informiert gewesen sei, zitiert «Ha'aretz» die Historiker.

Nicht zu ergründen sei allerdings, welche Bedeutung der Papst den Berichten über die Grausamkeiten der Nazis beimaß. Deshalb solle der Vatikan nach Meinung der Historiker das Studium bislang unveröffentlichter Dokumente ermöglichen.

Aus dem Vatikan hieß es dazu, ein Abschlussbericht der Historiker sei frühestens nach deren nächstem Treffen im September zu erwarten. Die in «Ha'aretz» genannten, offenbar durch Indiskretionen bekannt gewordenen Informationen, lägen dem Heiligen Stuhl nicht vor.

Die gemischte Kommission aus drei jüdischen und drei katholischen Historikern war im vergangenen Jahr mit Zustimmung des Vatikans eingerichtet worden, um die Diskussion über das Verhalten des Heiligen Stuhls während der Nazizeit zu versachlichen. Die überwiegend aus nordamerikanischen Forschern bestehende Gruppe hatte im Dezember 1999 in New York erstmals getagt, ihr jüngstes Treffen fand im Juli in Baltimore statt. Weitere Treffen sind geplant.

Arbeitsgrundlage für die Kommission ist die zwischen 1965 und 1981 von vier Jesuitenhistorikern herausgegebene umfangreiche Dokumentensammlung «Actes et Documents du Saint Siege relatifs à la Seconde Guerre Mondiale». Sie enthält unter anderem die Korrespondenz Papst Pius XII. mit den Bischöfen und den Nuntien.

Kathpress

av Webmaster publisert 07.08.2000, sist endret 07.08.2000 - 14:16