«Viele der Entscheidungen Johannes XXIII. wurzeln in der Türkei»

Große Gedenkfeiern für den Papst des Konzils in Istanbul - Ökumenischer Patriarch und türkischer Kulturminister würdigen den Roncalli-Papst

Istanbul, 10.12.00 (KAP) Viele der epochemachenden Entscheidungen Papst Johannes XXIII. haben ihre Wurzeln in den Jahren seiner Tätigkeit als Apostolischer Delegat in der Türkei (1935 bis 1944). Dies betonte der Präsident des Päpstlichen Kultur-Rates, Kardinal Paul Poupard, bei den großen Gedenkfeiern für den «Papst des Konzils» in Istanbul.

Am heutigen Sonntag feierte Kardinal Poupard in der katholischen Heiligen-Geist-Kathedrale in Istanbul mit den Repräsentanten der europäischen Bischofskonferenzen einen Dankgottesdienst. Die Österreichische Bischofskonferenz war dabei durch ihren stellvertretenden Vorsitzenden, den Grazer Diözesanbischof Johann Weber, repräsentiert. Bei dem Gottesdienst ergriff auch das Oberhaupt der Weltorthodoxie, der Ökumenische Patriarch Bartholomaios I., das Wort.

Vor dem Gottesdienst war im Stadtteil Sisli-Harbiye die offizielle Umbenennung der Ölcek Sokak in Papa Roncalli Sokagi (Papst-Roncalli-Straße) erfolgt. An der Straße steht das Gebäude der Apostolischen Delegatur, wo Johannes XXIII. in seiner Istanbuler Zeit gewohnt hatte. Der Vorsitzende der katholischen türkischen Bischofskonferenz, Bischof Louis Pelatre, bezeichnete gegenüber «Kathpress» die Gedenkfeiern für Johannes XXIII. als das größte öffentliche kirchliche Ereignis der letzten Jahre in der Türkei. Dies sei nur möglich, weil diese Feier die ausdrückliche Unterstützung der türkischen Behörden habe.

Der türkische Kulturminister Istemihan Talay hatte am Freitagabend bei der Eröffnung der Johannes-XXIII.-Feiern in der Cemal-Resit-Rey-Konzerthalle in Anwesenheit des Ökumenischen Patriarchen und der Oberhäupter der anderen Religionsgemeinschaften die positive Bedeutung des Ereignisses für die heutige Türkei unterstrichen. In dieser Feier gehe es nicht so sehr um dankbare Erinnerung, sondern vor allem um den Auftrag zu Dialog und Toleranz in der heutigen Zeit.

Der italienische Historiker Prof. Andrea Riccardi - Begründer der Basisgemeinschaft Sant'Egidio - verwies darauf, dass Roncallis Einsatz für den Frieden in seinen türkischen Jahren verwurzelt sei. Die große Friedensenzyklika «Pacem in terris» sei dann Konsequenz dieser Erfahrung für die ganze Welt geworden. Auch der Journalist und «Vatikanist» Giancarlo Zizola hob hervor, wie sehr sich Roncalli in seiner konstantinopolitanischen Zeit mit den frühen Konzilien der Kirche beschäftigt habe. Die Grundlage für den Gedanken eines neuen Konzils sei hier zu sehen.

Der Präsident des offiziellen staatlichen Komitees für die muslimischen religiösen Angelegenheiten, Prof. Nuri Yilmaz, erinnerte daran, dass alle Menschen «als Kinder Adams und die Angehörigen der monotheistischen Religionen darüberhinaus als Kinder Abrahams» miteinander verbunden seien. Er betonte die Bedeutsamkeit der Erklärung des Zweiten Vatikanischen Konzils über die Religionsfreiheit («Dignitatis humanae») und sah sie wesentlich mit der Gestalt Roncallis verknüpft.

Der Vorsitzende der türkischen jüdischen Gemeinde, Rifat Saban, war aus großer Hochachtung für Roncalli in die Konzerthalle gekommen, obwohl der Sabbat bereits begonnen hatte. Roncalli habe in der Türkei die Jahrhunderte alten Formen der Toleranz, etwa im Hinblick auf das Bestehen der jüdischen Gemeinde, erleben können, erinnerte Saban. Der damalige Apostolische Delegat habe aber auch «in schweren Zeiten, wo es auch andere Entscheidungen gab», durch seinen persönlichen Einsatz Zehntausenden verfolgter Juden - darunter 24.000 aus Ungarn - das Überleben gesichert. Das Sprichwort «Wer ein Leben rettet, rettet die ganze Welt» gelte also in besonderer Weise für Roncalli. Als Papst sei er aber auch in der Haltung als «Joseph, Euer Bruder» den Juden entgegengekommen und habe wesentlich dazu beigetragen, dass die seit dem Konzil von Nicäa um sich greifende Sicht von den Juden als Gottesmördern überwunden wurde.

Der Neffe des türkischen Außenministers zur Zeit Roncallis, Numan Menemencioglu, erinnerte daran, dass sein Onkel einer der engsten türkischen Freunde Roncallis gewesen sei. Menemencioglu habe als Botschafter in Frankreich nach dem Zweiten Weltkrieg öfter lächelnd darauf hingewiesen, dass mit Roncalli die Türkei einen zweiten Botschafter in Paris habe.

Kathpress
10. desember 2000

av Webmaster publisert 10.12.2000, sist endret 10.12.2000 - 18:09