Patriarch Gregorios ruft zu christlich-islamischer Front auf

Das Oberhaupt der Melkiten und die beiden anderen in Syrien residierenden Patriarchen Ignatios IV. Hazim und Ignatios Zakka I. Iwas sagten auch alle offiziellen Osterempfänge ab

Damaskus, 17.4.03 (KAP) Vor dem Hintergrund der Empörung der arabischen Welt über den Irak-Krieg und die Drohungen der USA gegen Syrien hat der Patriarch der mit Rom unierten Melkiten zum Aufbau einer gemeinsamen christlich-muslimischen Front aufgerufen. «Wir sind der Meinung, dass der Krieg gegen den Irak, ein Ereignis am Beginn des dritten christlichen Millenniums, ein Zeichen der Niederlage für die Menschheit ist. Wir sind davon überzeugt, dass die Wurzeln dieser Niederlage im Verlust der geistlichen, ethischen und menschlichen Werte liegen. Die Ungerechtigkeit, die Sünde, die Ausbeutung, der Glaube an die eigene Überlegenheit und der Stolz sind stark angewachsen. Wir brauchen ein Erwachen des durch Glauben und biblische Inspiration erleuchteten Gewissens. Wir müssen eine gemeinsame Front des Glaubens, gebildet von Christen und Muslimen, aufbauen, die sich dieser moralischen Degeneration widersetzt», schreibt der melkitische griechische-katholische Patriarch von Antiochien, Gregorios III. Laham, in seiner Osterbotschaft.

Der in Damaskus residierende Patriarch bedauert, dass die Welt nicht in der Lage sei, durch Dialog und Zusammenarbeit «derart zerstörerische Kriege zu vermeiden». Vielmehr scheine es die Welt «nach Krieg, Verwüstung und Aggression zu gelüsten». Außerdem werde durch die Fernsehübertragungen Angst, Gewalt, Fanatismus und Fundamentalismus in Millionen von Häuser getragen, beklagte der Patriarch.

Harte Kritik übte der Patriarch auch an Israel: «Wir sind machtlos angesichts der täglichen Katastrophen der Palästinenser. Es ist uns auch nicht möglich, die internationale Gemeinschaft zu beeinflussen, um eine Lösung im palästinensisch-israelischen Konflikt zu finden». Unter Hinweis auf das Osterfest rief Gregorios III. eindringlich zum Dialog zwischen den Religionen, Kulturen und Völkern auf, «um künftigen Generationen die Gefahren von Fanatismus, Extremismus, Gewalt, Terror und Hass zu ersparen».

Laham und die beiden anderen in Syrien residierenden Patriarchen von Antiochien, Ignatios IV. Hazim (griechisch-orthodox) sowie Ignatios Zakka I. Iwas (syrisch-orthodox), sagten die üblichen offiziellen Osterempfänge ab. Lediglich die liturgischen Feiern finden in den Kirchen statt.

Erzbischof kritisiert US-«Desinformation»

Der melkitische griechisch-katholische Erzbischof von Aleppo, Jean-Clement Jeanbart, kritisierte in einem Interview mit der Schweizer katholischen Nachrichtenagentur KIPA/APIC die «Desinformationspolitik» der Washingtoner Regierung. Die Christen in Syrien seien besorgt über die US-Anschuldigungen, das Land verfüge über Massenvernichtungswaffen und unterstütze das gestürzte irakische Regime. Wie ihre muslimischen Landsleute befürchten auch Syriens Christen, dass Washington mit «Lügen» das Terrain für ein militärisches Eingreifen in Syrien vorbereite.

Erzbischof Jeanbart erinnerte daran, dass bereits im Fall der irakischen «Massenvernichtungswaffen» US-Aussenminister Colin Powell vor dem UNO-Sicherheitsrat «Beweise» präsentiert habe, die sich als grobe Fälschungen entpuppt hätten. Es gebe deshalb keinen Grund zur Annahme, so Erzbischof Jeanbart, dass im Fall von Syrien nicht ähnliche «Lügen» angewendet würden.

In Syrien habe man jedenfalls Angst, zur nächsten Zielschreibe der US-amerikanischen Truppen zu werden. Die Enttäuschung darüber sei im Land umso größer, so Erzbischof Jeanbart, als Syrien der UNO-Resolution 1141 zur Abrüstung von Saddam Hussein zugestimmt habe. Auch habe Syrien 1991 in der US-amerikanischen Koalition gegen den Irak mitgemacht, und das Land trage auch den Kampf gegen den internationalen Terrorismus mit.

Es sei davon die Rede, dass die USA die Völker des Nahen Ostens befreien wollten, so Jeanbart, doch gebe sich Washington keinerlei Rechenschaft über die Komplexität der örtlichen Situation: «Man kann hier nicht europäisch oder amerikanisch denken. Die Kultur und die Mentalität sind anders, und die Demokratie wird auf andere Weise verstanden».

Gewaltsam eine von westlichem Verständnis geprägte Demokratie in diese Wirklichkeit einpflanzen zu wollen, wäre bei der Mentalität der nahöstlichen Völker ein Vorgehen mit höchst ungewissem Ausgang. Das bedeute aber nicht, so Jeanbart, dass Syrien nicht einer Demokratisierung mit einer größeren Beteiligung der Menschen bedürfe, doch sei es am syrischen Volk selber, darüber zu befinden.

Kathpress
17. april 2003