Vatikanstadt-Jerusalem, 12.5.02 (KAP) Der französische Kurienkardinal Roger Etchegaray hat am Sonntag in Bethlehem einen Dank-, Sühne- und Versöhnungsgottesdienst im Hinblick auf das Ende von Besetzung und Belagerung der Geburtsbasilika gefeiert. Etchegaray zelebrierte in der katholischen Katharinenkirche, die unmittelbar an die Geburtsbasilika angrenzt. Der Kardinal überbrachte eine Botschaft des Papstes und den besonderen Segen Johannes Pauls II.
Etchegaray hatte sich bereits von 2. bis 7. Mai im Auftrag des Papstes im Heiligen Land aufgehalten und dabei versucht, sich in die Verhandlungen über eine Lösung für die seit dem 2. April von 200 teilweise bewaffneten Palästinensern besetzte und von israelischem Militär belagerte Geburtskirche einzuschalten. Seinen erklärten Wunsch, vor seiner Abreise in dem Gotteshaus beten zu können, hatte er damals nicht verwirklichen können.
Die Übereinkunft über die Geburtsbasilika weist für den Apostolischen Nuntius in Israel und Apostolischen Delegaten in Jerusalem, Erzbischof Pietro Sambi, in die Zukunft, in der noch viel für den Frieden getan werden muss. Wörtlich meinte Erzbischof Sambi: "Ich bete, dass jetzt auch die Werte freigesetzt werden, für die Bethlehem steht: Liebe, Gerechtigkeit, Friede und Versöhnung. Es ist klar: Wenn wir uns so anstrengen mussten, um das Problem der Geburtskirche zu lösen, wie anstrengend wird es dann erst, einen Frieden zwischen Israelis und Palästinensern zu erreichen".
Patriarch weihte Basilika neu
In der geräumten und gereinigten Geburtskirche in Bethlehem hat am frühen Sonntagmorgen der erste Gottesdienst seit Ende der Belagerung stattgefunden. Der griechisch-orthodoxe Patriarch von Jerusalem, Irinaios I., weihte die Basilika neu, in der 39 Tage lang bis zu 200 teils bewaffnete Palästinenser verschanzt hatten. Dadurch sowie durch Feuergefechte mit den israelischen Belagerern war das Gotteshaus nach kirchlicher Auffassung geschändet worden.
Bereits am Freitag hatten umfangreiche Aufräumungs- und Reinigungsarbeiten in und um die Kirche begonnen. Gemeindemitglieder und Priester aus der Region halfen den franziskanischen, armenischen und orthodoxen Geistlichen beim Heraustragen von Matratzen, Decken, zerbrochenem Mobiliar und Abfällen. An zwei Stellen waren bei Feuergefechten Brände in den angrenzenden Klöstern der Franziskaner und der Armenier ausgebrochen.
Nach den Worten des Guardians der Franziskaner in Bethlehem, P. Johannes Simon, wurde die so genannte Geburtsgrotte während der Belagerung weitestgehend respektiert. Dort seien lediglich Kranke und Verletzte versorgt worden; die Geistlichen hätten jedoch regelmäßig Gottesdienste in der Grotte abhalten können. Nach den Worten Simons hat es bereits am Freitag einen regelrechten Ansturm von Menschen auf die Geburtsbasilika gegeben.
Sabbah: "Wurzel des Bösen ist die israelische Besatzung"
Der lateinische Patriarch von Jerusalem, Michel Sabbah, äußerte Kritik am "fehlenden Mut der internationalen Gemeinschaft". Wichtiger als die Verurteilung von Gewalt seien konkrete Handlungen, sagte der Patriarch vor dem Gottesdienst mit Kardinal Etchegaray vor Journalisten. So lange "die Wurzel des Bösen" noch da sei, werde die Gewalt im Nahen Osten andauern. Wörtlich fügte er hinzu: "Die Wurzel des Bösen ist die israelische Besatzung". Diese Besatzung löse palästinensische Selbstmordattentate aus, meinte Sabbah. Daher sei es nicht entscheidend, die Selbstmordattentate zu verurteilen, sondern die israelische Besetzung zu beenden, so der Patriarch, der selbst Palästinenser ist.
Franziskaner: "Haben Schlimmeres verhindert"
Durch ihre Anwesenheit in der Bethlehemer Geburtskirche und dem anschließenden Konvent haben die Franziskaner nach eigener Einschätzung Schlimmeres verhindert. "Die Opfer, denen die Patres ausgesetzt wurden, waren schmerzhaft, aber wenig im Vergleich zu dem, was in der Geburtsbasilika hätte passieren können, wenn es einen Zusammenstoß nur von Militärs gegeben hätte", begründete die Franziskaner-Kustodie in Jerusalem die Anwesenheit der Ordensleute während der 39-tägigen Belagerung. Da die Franziskaner-Patres und -Schwestern weder von den Palästinensern noch von den Israelis etwas zu fürchten hätten, habe man sich zum bleiben entschlossen. Im übrigen seien sie mit Mandat des Vatikans die "Beschützer dieser Heiligen Stätte, die von allen Christen geliebt, von der ganzen Welt respektiert und von internationalem Recht geschützt wird".
Die Achtung vor der Würde jeder Person, unabhängig von Glauben und Kultur, habe die Patres und Schwestern veranlasst, zu bleiben und sich so zu verhalten wie immer - gegenüber jedem. Schließlich sei der Orden froh, dass er einen Beitrag zu einer diplomatischen Lösung habe leisten können, teilte die Franziskaner-Kustodie mit.
Kathpress
12. mai 2002