In Rom fallen beim Weltjugendtag psychologische Mauern

Jugendliche aus den neuen "Movimenti" und der "offiziellen" Katholischen Jugend entdecken ein neues Miteinander

"Kathpress"-Korrespondentenbericht von Ludwig Ring-Eifel

Rom, 18.8.00 (KAP) So ausgelassen hat man den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Karl Lehmann, schon lange nicht mehr gesehen: Mit erhobenen Armen tanzte er Hand in Hand mit Tausenden jungen Leuten aus allen Teilen Deutschlands auf einer grünen Wiese in Vatikan-Nähe in der Villa Carpegna. Ausgerechnet dort, wo er in den vergangenen Jahren so oft im Clinch mit Bischofskollegen und dem Papst um die Probleme der Schwangerenberatung gerungen hatte, schienen alle Sorgen von dem Mainzer Bischof abgefallen. Den Hintergrund für das ungewöhnliche Aufleben des Bischofs bildete der 15. katholische Weltjugendtag in Rom, der sich zum größten und fröhlichsten Ereignis des Heiligen Jahres 2000 entwickelt hat.

Dass der Mainzer Bischof so glücklich ist, hat aber nicht nur mit dem gigantischen Happening der Jugendlichen in Rom zu tun, die Sache geht tiefer. Es habe ihn positiv überrascht, wie sehr sich die Leute hier für die eigentlichen Fragen des Glaubens interessieren, meinte er. In zwei "Katechesen" hat er am Mittwoch und am Donnerstag jeweils vor mehreren hundert jungen Leuten die Bibel ausgelegt. Gründlich, wissenschaftlich und scharfsinnig, in bester deutscher Theologie-Tradition. Und die Fragen der Zuhörer? Sie gingen diesmal nicht um Zölibat, Frauenpriestertum und Demokratisierung der Kirche, sondern um die Menschwerdung Gottes, die Messiasverheißung im Alten Testament und die Botschaft Christi.

Nicht nur Lehmann zeigte sich überrascht. Auch in den Reihen der traditionell eher rom-kritischen offiziellen katholischen Jugendorganisationen geraten Dinge in Bewegung. Eine Sprecherin der Deutschen Pfadfinderschaft Sankt Georg erzählte sichtlich bewegt von ihrer Begegnung mit "dem Heiligen Vater" - eine Bezeichnung, die sie vor den Tagen in Rom vermutlich noch nicht einmal im Traum gebraucht hätte. Und ein Würzburger Jugendfunktionär meinte: "Wenn man so viel weltweite Begeisterung für den Papst erlebt, da kommt man schon ins Grübeln, ob wir in Deutschland nicht doch zu viel über Strukturen nachdenken. Das kritische Hinterfragen ist der typische Beitrag der Deutschen, aber das kann wohl doch nicht alles sein".

Die vorsichtige emotionale Öffnung gegenüber "Rom" und "dem Papst" hat außer der mitreißenden Begeisterung der Jugendlichen aus Italien, Südamerika und Polen auch innerkirchliche Gründe. Beim 15. Weltjugendtag sind die bisweilen als "ultrafromm" belächelten Mitglieder der "Movimenti" ebenso mit dabei wie die jungen Leute aus den diözesanen Verbänden der Katholischen Jugend, die sich seit den siebziger Jahren eher mit kritischen Stellungnahmen als mit Bekenntnissen zum Papst in der Kirche profiliert haben. In beiden Gruppen ist jetzt eine junge Generation herangewachsen, die nicht mehr in den Kategorien von "fromm und rechts" oder "kritisch und links" denkt, sondern sich mehr auf den Kern ihres Christseins besinnt. Was beide Gruppen beim Weltjugendtag in Rom beflügelt, ist das Erlebnis, einer Minderheit anzugehören, die im Weltmaßstab eine riesige Gemeinschaft bildet.

Kathpress