Kasper: Christlich-jüdischer Dialog muss zukunftsorientiert sein

Kurienkardinal für "Allianz" von Juden, Christen und Muslimen zur Förderung von Frieden und Versöhnung, "insbesondere im Nahen Osten"

Jerusalem, 23.11.01 (KAP) Der christlich-jüdische Dialog muss nach Ansicht des deutsche Kurienkardinals Walter Kasper dringend intensiviert werden. Er dürfe sich jedoch nicht nur auf die Aufarbeitung der Vergangenheit beschränken, sondern müsse zukunftsorientiert sein, sagte er bei einem Symposion in Jerusalem. Christen und Juden müssten sich gemeinsam für ethische Normen in Politik und Gesellschaft, für Menschenrechte, Gerechtigkeit und Frieden in der Welt einsetzen und ihren Beitrag zur Lösung aktueller Probleme und Herausforderungen leisten. "Unsere sogenannte post-Moderne Welt braucht unser gemeinsames Zeugnis. Juden und Christen dürfen in der gegenwärtigen Welt nicht länger Feinde sein, sondern müssen Alliierte werden", forderte Kasper.

In der aktuellen Weltlage sollten Juden und Christen - gemeinsam mit den Muslimen - eine "Allianz" zur Förderung von Frieden und Versöhnung, insbesondere im Nahen Osten bilden. Die Spirale von Gewalt und Gegengewalt, die so viele schuldlose Opfer auf beiden Seiten gefordert habe, müsse beendet werden. "Gewalt löst keine Probleme, Gewalt erzeugt immer neue Probleme. Nur Gerechtigkeit und gegenseitiger Respekt können einen stabilen und dauerhaften Frieden schaffen", so der Kardinal. Juden und Christen müssten "ihre Stimmen erheben und provokative Rhetorik, Rache und Gewalt von jeder Seite verurteilen und den Verlust von Leben auf allen Seiten beklagen", betonte der Kardinal, der als Präsident des Päpstlichen Rates für die Einheit der Christen auch die Kommission für die religiösen Beziehungen zum Judentum leitet. Zugleich plädierte er dafür, dass Jerusalem mit seinen Heiligen Stätten "eine Stadt und ein Ort des Friedens für Juden, Muslime und Christen und ein Zeichen der Hoffnung auf Frieden für die ganze Menschheit" sein müsse.

Ausführlich zeigte Kasper in seinem Referat Begründungen, Schwierigkeiten und Perspektiven des jüdisch-christlichen Dialogs auf. Das Zweite Vatikanische Konzil habe einen "historischen Durchbruch" geschafft - nach einer langen und traurigen Geschichte von Gleichgültigkeit, Missverständnissen, Diskriminierungen, Beschuldigungen, Unterdrückung und Verfolgung. Das Konzil, zahlreiche Kirchendokumente und nicht zuletzt die Reden und Gesten von Papst Johannes Paul II. bei seinen Besuch in der jüdischen Synagoge wie in Yad Vashem hätten das Bemühen um Aussöhnung und Begegnung bekundet. Das Christentum habe jüdische Wurzeln, von denen es nicht getrennt werden könne. Christliche Identität lasse sich nicht ohne Bezugnahme auf das Judentum definieren. Die Juden seien, zitierte Kasper den Papst, "unsere älteren Brüder".

Dieser Dialog sei mehr als nur gegenseitige Information und objektive Kommunikation; er sei mehr als "Small Talk", sondern berühre die geistige und ethische Existenz im Innersten, betonte Kasper. Er legte klar, dass das auch im Judentum kritisierte Vatikan-Dokument "Dominus Jesus" nicht an die Adresse des Judentums gerichtet war. Zugleich bedauerte er, dass das Dokument "We remember", mit dem die Kirche an den Holocaust erinnert, jede Form von Antisemitismus entschieden verurteilt und Versäumnisse von Christen beklagt hatte, mancherorts als nicht ausreichend empfunden wurde.

Kasper war am Montag in Jerusalem eingetroffen. Er war mit Staatspräsident Moshe Katzav zusammengetroffen und hatte Unterredungen mit den Christenführern im Heiligen Land geführt.

Kathpress
23. november 2001