Nahost-Friedensprozess muss "auf neue Weise angegangen werden"

Israelischer Franziskanerpater Jaeger: Abkommen von Oslo blieb bei Zwischenschritten stehen - Große Mehrheit der Israelis und Palästinenser für "würdigen Frieden", aber Kluft zwischen Bevölkerung und Regierenden wächst

Jerusalem, 18.12.01 (KAP) Der Friedensprozess zwischen Israel und den Palästinensern muss auf neue Weise angegangen werden, wenn er zum Ziel führen soll. Das sagte der israelische Franziskanerpater und Nahostexperte David Jaeger - der jüdischer Herkunft ist - in einem Interview mit dem vatikanischen Missions-Nachrichtendienst "Fides". "Die ursprünglichen Vereinbarungen von Oslo habe eine Reihe von Zwischenschritten vorgesehen, ohne dabei ein Endziel festzulegen. Heute muss man auf einen endgültigen Frieden zwischen Israel und Palästina abzielen und danach erst die einzelnen Schritte festlegen", so P. Jaeger.

Endziel einer Friedensvereinbarung müsse die Zusammenarbeit zwischen Israel und einem unabhängigen palästinensischen Staat sein - wie von der UNO-Resolution 181 vom 29. November 1947 vorgesehen, die weiterhin Grundlage der internationalen Position zum Heiligen Land bleibe. Zunächst müsse ein Friedensabkommen ausgehandelt werden, und danach könnten Abkommen über Grenzen und Beziehungen zwischen den beiden Staaten, innere und äußere Sicherheit, Nutzung der Wasser- und Naturressourcen sowie zu anderen wirtschaftlichen Aspekten vereinbart werden. Diese Zwischenschritte müssten zeitlich festgelegt werden, damit das Vertrauen zwischen beiden Seiten schrittweise wachsen könne.

P. Jaeger betonte, die große Mehrheit der israelischen und palästinensischen Bewohner des Heiligen Landes wünschten und akzeptierten einen würdigen Frieden. Allerdings sei für viele Israelis nicht klar, was die politischen Ziele der eigenen Regierung sind, zugleich wachse in Palästina wie in Israel die Kluft zwischen Führungsschicht und Bevölkerung.

Unter den Palästinensern herrsche ein großes Misstrauen gegenüber der Führungsschicht. "Man ist der Ansicht, dass diese persönliche wirtschaftliche Vorteile aus den Verträgen von Oslo erhalten hat, während es unter den Normalbürgern zum Gegenteil gekommen ist. Deshalb ist auch der Missmut weit verbreitet: Den Politikern wird Korruption und den Sicherheitskräften willkürliches Verhalten zur Last gelegt", so P. Jaeger.

Auch in Israel sei die öffentliche Meinung nicht einheitlich. Die einflussreichsten israelischen Tageszeitungen fragten sich, in welche Richtung sich die Regierung bewegt und welche politischen Ziele sie verfolgt. So sei es etwa ein Widerspruch, wenn die Regierung Israels Anweisung gebe, Büros und Kontrollpunkte der palästinensischen Sicherheitskräfte unter Beschuss zu nehmen, aber gleichzeitig von den selben palästinensischen Sicherheitskräften fordere, die Terroristen festzunehmen.

Wenn es seitens der Regierenden keine klare Linie und keine Endziele gebe, dann tendierten die Gefühle der Bevölkerung zum Extremismus, warnte der Franziskanerpater. Seit der Unterzeichnung der ersten Vereinbarungen durch die PLO im Jahr 1993 in Oslo hätten sich zudem die Lebensbedingungen der Palästinenser verschlechtert; "es gibt mehr Arbeitslose, wenige wurden reicher und viele wurden ärmer". Sowohl die terroristische "Hamas"-Organisation als auch die nationalistische Rechte in Israel verzeichneten Zulauf.

Jaeger dazu: "Hinter diesem Phänomen verbirgt sich Verzweiflung. Die Menschen fühlen sich wie in einem Tunnel ohne Ausweg. Es besteht kein Zweifel daran, sobald es ein Licht am Ende des Tunnels gibt, werden 'Hamas' und ähnliche extreme Gruppen in Israel immer weniger Anhänger haben."

Kathpress
18. desember 2001